1926-1938

Ära Rieser

1926 gründete der Weinhändler Ferdinand Rieser die Zürcher Schauspielhaus AG und betrieb darin ein Theater, das der Unterhaltung diente. Ein anspruchsvolles Publikum musste erst herangebildet werden.

Dem Juden Rieser halfen dabei die politischen Veränderungen in Italien und vor allem in Deutschland. Denn von dort kamen theaterschaffende Emigranten an sein Haus. Sie waren gefährdet und wollten hier ohne Zensur arbeiten. Die meisten trugen bekannte Namen und gehörten zur Elite in ihrem Beruf. Mit ihnen konnten Stücke von hoher Qualität aufgeführt werden und das Publikum begeistern.

Das Zeitgeschehen half auch ganz direkt mit. Man hörte jetzt die aktuelle Botschaft bei deutschen Klassikern, etwa Schillers "Geben Sie Gedankenfreiheit!" in Don Carlos, und man reagierte klar und eindeutig. Rasch mischten sich die Gegner, die Nazitreuen der Schweizer NF (Nationale Front) ein: Ihre Hetzkampagne wurde jedoch zur Propaganda für das Schauspielhaus. Trotzdem, der Anschluss Österreichs im März 1938 war für Rieser ein Signal. Er zog Sicherheit vor und reiste mit seiner Familie nach Amerika.

Was sollte nun aus dem Schauspielhaus - und vor allem, was sollte aus den emigrierten Schauspielern werden? Ihr Werkzeug war die deutsche Sprache. Nur hier konnten sie arbeiten.

In den folgenden Unterkapiteln wird diese wichtige Vorgeschichte näher beleuchtet. Ohne sie ist die darauf folgende Entwicklung und Bedeutung des Schauspielhauses innerhalb des Aufbaus von "Geistiger Landesverteidigung" kaum zu verstehen.

Und diese Entwicklung prägten Homosexuelle an entscheidenden Stellen mit. In der Ära Rieser war dies nicht der Fall.

Ernst Ostertag, September 2010