Kriegsverlauf

Gedichte von Soldaten an der Front

Das Jahr 1942 war das entscheidende des Krieges. Im Sommer brachte es die grösste Ausdehnung der nationalsozialistisch-faschistischen Aggression von El Alamein in der Wüste Ägyptens bis zur Wolga bei Stalingrad, wo die endlosen Steppen Asiens beginnen, im Herbst und Winter dann die entscheidenden Schlachten, die das Ende dieser Diktaturen mit apokalyptischen Bildern anzeigten und vorausnahmen: El Alamein vom 23. Oktober bis 5. November und Stalingrad vom 19. November bis 31. Januar. Schon zuvor allerdings, mit dem Überfall der japanischen Militärdiktatur auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 und dem Kriegseintritt der USA, war für Strategen und politische Beobachter auch bei uns klar, dass das Ende des Krieges und der Untergang jener, die ihn begonnen hatten, nur noch eine Frage der Zeit sein konnte.

Was aber bis dahin alles an Strömen von "Blut, Schweiss und Tränen" vergossen und erlitten würde und wen es noch treffen mochte, das wusste niemand. Aus deutschen Radiostationen plärrte das Propagandaliedchen: "Und die Schweiz, das Stachelschwein, holen wir im Heimweg heim!" Das Bewusstsein tödlicher Gefahr blieb konstant bei allem, was man tat und wo immer man war und hörte auch nachts nicht auf.

Bis zum 8. Mai 1945, als im befreiten oder verschonten Europa alle Felsbrocken von den Herzen wegrollten.

Im Menschenrecht vom Oktober erschienen zwei Gedichte, die an der Ostfront 1942 geschrieben wurden:

Du lebst, mein Kamerad!
Von Franz Berndal

In allen Lebensstunden seit Anbeginn der Tat
Im Schmerze aller Wunden - lebst du, mein Kamerad!
Du lebst in Wort und Schriften, in manchem welken Blatt,
Auf Meeresgrund - in Grüften, lebst du, mein Kamerad.
Du lebst in tiefstem Schweigen, oft nur in einem Laut
Beim letzten Kopf-Hinneigen, aus dem kein Blick mehr schaut.
Du lebst an allen Wegen, im Sand, auf feuchtem Stroh,
Wo hast du nicht gelegen, mein Kamerad, sag, wo?
In Liedern wirst du leben bis zur Unsterblichkeit,
Denn dich wird's immer geben, und gab's zu jeder Zeit.
Du lebst in allen Fernen, im Feld, am Waldessaum,
Wie oft blüht in den Sternen des Nachts von dir ein Traum!
Du lebst im Händeflehen vor einem leisen Wort,
Im Rauschen und im Wehen des Windes allerort.
In endlos gleichen Schritten den langen Marsch entlang,
Du lebst in tausend Bitten und abertausend Dank.
Lebst auch im Freudenschimmer beim Früh- und Abendrot,
Am wahrsten aber lebst du in Stunden bittrer Not!
Du hast den Weg gefunden seit Anbeginn der Tat,
Du lebst in allen Stunden,
Du lebst, mein Kamerad!

Einem gefallenen Freund
Von Helmuth Backhaus

Die Sterne, die früh schon erblassen,
Sind nächtens oft seltsam rot -
Wir ziehn auf den ewigen Strassen
Des Lebens wider den Tod.

Er sah an den Horizonten
Noch einmal das erste Licht,
Das Feuer der beiden Fronten
Lag zuckend auf seinem Gesicht.

Sein Grab liegt zwischen den Wegen,
Die kreuzen sich zwei und zwei -
An einem Abend im Regen
Ritten wir dran vorbei.

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Ernst Ostertag, August 2004