Zum StGB

Bestimmungen über die Homosexualität

Wie in der Januarnummer angekündigt, begann Karl Meier als "Rudolf Rheiner" im Februar mit einer ausführlichen Darlegung aller Aspekte der Homosexuelle betreffenden Artikel des neuen StGB. Besonderes Gewicht legte er auf die Unterschiede des Schutzalters bei Jugendlichen des weiblichen oder männlichen Geschlechts und auf die verbotene Prostitution von Männern gegenüber jener von Frauen, die das Gesetz erlaubte. Unter dem Titel "Das neue Gesetz" machte er daraus eine Serie über viele Ausgaben. Einleitend äusserte er allgemeine, grundlegende Gedanken1:

"Wer je Gelegenheit hatte, mit Schicksalsgefährten über juristische Fragen, die uns betreffen, zu diskutieren, der macht immer wieder die Erfahrung, wie wenig eigentlich unsere Kameraden über ihre rechtliche Lage wissen. [...] Es ist klar, dass der Liebende [...] nicht zuerst im Gesetzbuch nachschlagen wird, wie und ob er lieben darf oder nicht. Ist es Liebe, [...] so wird er in tausend Jahren noch so lieben - und hat es vor zweitausend Jahren auch schon getan - ob das Gesetz nun sein Gefühl sanktioniert oder nicht. Gottvater Zeus, der sich in einen Adler verwandelte, um den hübschen Hirtenbengel Ganymed von der väterlichen Wiese wegzustehlen, wäre [...] ebenso strafbar wie der junge Romeo, der in Shakespeare's unsterblicher Dichtung die vierzehnjährige Julia entführt. Juristisch sind beide Liebhaber Rechtsbrecher nach unserem Gesetz. Ich hoffe, dass damit der Begriff 'Gesetz' und die immer irgendwo klaffende Kluft zwischen 'Leben' und 'Gesetz', die jedes Zeitalter und jedes Volk wieder aus einer anderen Anschauung heraus schaffen wird, sichtbar würde.

Wir müssen uns jederzeit klar darüber sein: die rechtliche Freiheit für den Homoeroten schliesst noch nicht die öffentliche Anerkennung unseres Menschseins in sich. [...] Jedes Gesetz kann einer Revision unterzogen werden, wenn es sich nicht bewährt, in unserem Falle: wenn wir uns nicht bewähren! [...] Vergessen wir nicht, dass wir nicht nur politisch, sondern auch in unserem Sinne heute eine einsame Insel in Europa sind."

In Nummer 3/1942 zitierte er aus dem bereits zum Standardwerk gewordenen Kommentar "Das schweizerische Strafgesetzbuch II. Teil"2. In der folgenden Nummer erneut, unter anderem zum Recht, gegen öffentliche Belästigung zu klagen, beispielsweise wenn ein Homoerot öffentlich beschimpft wird, und was das Gesetz über diese Möglichkeit aussagt. Schliesslich empfahl er seinen Lesern3:

"[...] Wer es sich leisten kann, schaffe das kostspielige Werk an; wer in irgendeinem Punkt nicht klar sieht, präzisiere seine Frage genau an mich. Ich werde versuchen, ihm möglichst eindeutigen Aufschluss zu geben, soweit es in der Artikelfolge 'Das neue Gesetz' nicht bereits geschehen ist. [...]"

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Ernst Ostertag, August 2004

Quellenverweise
1

Karl Meier, Menschenrecht, Nr. 2/1942

2

Thormann und von Overbeck: Das schweizerische Strafgesetzbuch II. Teil

3

Karl Meier, Menschenrecht, Nr. 4/1942