Bücherstube Konstanz: Fritz Scheffelt

... und seine vielseitige Hilfe

Fritz Scheffelt (1890-1963) führte in Konstanz die bekannte "Bücherstube am See", an der Kreuzlingerstrasse 11, nahe der Schweizer Grenze. Seit 1933 half er Verfolgten über die Grenze in die Schweiz.

"Scheffelts Adresse war als Fluchtpunkt bekannt und kursierte in chiffrierter Form in Berlin unter Juden, Kommunisten und Homosexuellen. Nach Aussage von Bekannten konnte Scheffelt bis zur Schliessung der Grenzanlagen 1941 als Wanderer verkleidet immer wieder Personen illegal über die Grenze bringen. Nach Kriegsende wurde Scheffelt Abonnent des Kreis. [...] Über den KREIS kam er in Kontakt zur 'runde', die er mit Literatur aus seiner Buchhandlung versorgte. Bereits 1952 hatte er einen späteren Mitarbeiter dieser Gruppe, der vor einer Verhaftung stand, über die Schweizer Grenze geschleust. Bis zu seinem Tod blieb er einer der 'Spezialisten' der 'runde', die im Hintergrund arbeiteten, indem er Informationen, die nicht der Post anvertraut werden konnten, in und aus der Schweiz überbrachte."1

Fritz Scheffelt war mit dem KREIS eng verbunden. Das Freundespaar Walter Neuburger / Gauthier und Werner Schüpbach / Rolly oder Roly erzählte uns (Röbi Rapp und Ernst Ostertag) mehrmals, wie sie mit ihrem gut bepackten Auto nach Konstanz fuhren, um Bücher und vor allem nach 1953 (als der Kreis in Deutschland indiziert wurde) abonnierte Kreis-Hefte über die Grenze zu bringen. Sie benützten wenig kontrollierte Übergänge zu einer Zeit, als die meisten Zöllner beim Essen waren.

Die Hefte wurden von Scheffelt und seinen Freunden später in gleicher Weise in verschiedenste Briefkästen geworfen, wie sie das mit "die runde" auch taten. Auf dem Rückweg packte das Freundespaar deutsche Bücher ins Auto, die im KREIS zum Verkauf angeboten oder der Bibliothek einverleibt wurden. Da Walter Neuburger und Werner Schüpbach nebst der Kassierarbeit auch den Büchertisch betreuten, wussten sie genau, was sich Abonnenten wünschten.

Fritz Scheffelt, so berichteten die beiden, habe vorn ein normales Büchersortiment angeboten, während in einem versteckten hinteren Lagerraum linke Literatur und Erotika auflagen, darunter homoerotische Bücher und Magazine wie auch Fachschriften zum Thema.

In Zusammenarbeit mit Scheffelt ist der dem Kleinen Blatt beigefügte Bücherzettel regelmässig auf den neuesten Stand gebracht worden. Er enthielt Neuerscheinungen und antiquarisch erhältliche Werke. So etwa führte das dem Heft 12/1966 beigelegte Kleine Blatt auf zwei Seiten 61 Buchtitel auf. Sie konnten über die Bücherstube bezogen werden, aus der Schweiz via Postfach in Kreuzlingen und für die deutschen Abonnenten gab es ein Konstanzer Fach.

Die "Bücherstube am See" existiert noch heute an derselben Adresse, geführt von Peter Neser, dem Sohn des ehemaligen Buchhalters, der seit den 30er Jahren diesen Teil der Geschäftsführung übernommen hatte, um Fritz Scheffelt zu entlasten. Scheffelt sei eben "im Kaufmännischen nicht so gut gewesen". Das wird in einem Brief bestätigt, den Karl Meier / Rolf als Leiter des KREIS am 16. Januar 1961 an "Herrn Neser" schrieb2. Darin handelte es sich um eine Neuordnung der Abrechnungen, Bestellungen von Einzelheften und gebundenen Jahrgängen und so weiter, weil "Fritz dem nicht mehr gewachsen sei".

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Ernst Ostertag, März 2005

Quellenverweise
1

Karl-Heinz Steinle: die runde, Seite 26

2

Brief aus dem Nachlass Charles Welti. Mit Herr Neser ist vermutl. der Vater von Peter Neser gemeint