Düstere Zeit

… ein Brief aus München

Der Hintergrund zu dieser Deutschland-Nummer war düster genug. Sie sollte darum auch ein deutliches Zeichen der Solidarität und der Aufmunterung sein. Ein mit "Juris" gezeichneter Brief vom 21. März 1949 aus München, gerichtet an Karl Meier / Rolf, weist auf die Situation hin1:

"Mein Lieber Rolf! Trotzdem ich schon seit langem wieder zu Hause bin, bleibe ich nach wie vor dem Land verbunden, das mir einst Asyl gewährt hat. Und bleibe noch heute dankbar dem Anschluss an unsere Kameraden und Freunde. [...] Der Kreis ist heute Mittler für meine eigenen deutschen Kameraden. [...] Der Kreis-Artikel 'Deutsche Kameraden antworten uns' soll zweierlei sagen. Einmal, dass viele von uns sich immer gerne an die lebenserhaltende Schweiz erinnern, und zweitens welch wichtige, fast internationale Aufgabe der Kreis hat.

Es ist Tatsache, dass wir in der amerikanischen Zone kaum an eine Änderung der gesetzlichen Auffassung glauben können. Einmal wegen der amerikanischen [...] Auffassung, und dann wegen dieser neuen deutschen Demokratie, die merkwürdigerweise ein Gesetz Hitler'scher Prägung konserviert. Leider spricht dies Bände. [...]

Wenn man in juristischen Kreisen, speziell vor amtierenden Richtern, von dem verpönten Thema überhaupt spricht, könnte man sich in die Jahre 1933-1945 zurückversetzt fühlen. [...] Mit eigenen Ohren musste ich von einem Richter hören, dass alle Gesetze des berühmten Nürnberger Parteitages nach wie vor in Kraft sind 'und nur leider (!) die Anwendung nicht mehr so streng durchgeführt würde'. [...]

Tragischer wird es nur noch, wenn ein Kamerad Pech hat und heute vor einen solchen Richter kommt. Es ist leider weiter Tatsache, dass die sonst überall als verlogen gefälscht geltenden Prozessakten der Gestapo für derartige Prozesse plötzlich reinste Wahrheit sind: dass wir als Vorbestrafte im Sinne eines Leumundes gelten und der politisch Verfolgte [...] als wahrhaft Verfolgter gilt. [...] So erfreue ich mich Ihrer Hefte, wenn sie hier einlaufen. [...] Ihr Kreis sollte viel mehr nach Deutschland kommen. Ich gebe die Hefte von Hand zu Hand. [...]"

Die "Nürnberger Gesetze", waren die Nazi-"Rassengesetze", aufgrund derer das "Deutsche Volk" von Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und anderen mit einem legalistischen Mäntelchen "gesäubert" werden sollte. Denn mit diesen Gesetzen wurden die Falsch-Rassigen und "Entarteten" schutzlos und konnten jederzeit verfolgt, eingesperrt und "liquidiert" werden.

Ernst Ostertag, März 2005

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 4/1949, Seite 34