Meister der Improvisation

Die ganz grosse Pianistenlaufbahn gelang Nico Kaufmann nicht. Vielleicht hatte er bei Horowitz zu konkret erlebt, was solche Höchstleistungen abfordern und scheute aus der Einsicht zurück, jene einsame Spitze nie erreichen und dann auch halten zu können.

Nico blieb ein Meister der Improvisation. Er komponierte auch Ballettmusiken, die auf Tourneereisen erklangen, welche er zusammen mit der Schweizer Tänzerin Trudy Schoop durch die USA und Europa unternahm. Heute sind diese Werke ebenso vergessen wie seine vielen Bühnenmusiken für das Schauspielhaus Zürich aus derselben Zeit, den späten 40er und den 50er Jahren. Auch das berühmte Cabaret-Duo Voli Geiler / Walter Morath (1948 bis 1968) hat Nico - nebst fünf anderen Pianisten - regelmässig begleitet.

Ausser den im KREIS komponierten Stücken schrieb er Chansons für viele namhafte Kabarettisten, zu Texten von ihnen selbst und anderen Künstlern, beispielsweise von Ettore Cella. 

Den Anfang der 60er-Jahre vertonten Liederzyklus von Gedichten Hermann Hesses konnte er 1994 im Radio der Deutschsprachigen Schweiz noch zur Aufführung bringen, was ihm grosse Freude bereitete. Es handelt sich dabei um 17 für Klavier und Sopran- oder hohe Tenorstimme gesetzte Liedkompositionen. Die Radiosendung von 1994 wurde mit der deutschen Pianistin Edith Thauer und der Sängerin Susanna Heyng aufgenommen, die beide mit Nico befreundet waren. Frau Prof. Thauer, die Nachlassverwalterin, hat im Jahre 2000 einen Druck des Zyklus veranlasst.

In der Zürcher Zentralbibliothek, Musikabteilung, sind auch viele der anderen Lieder und Chansons von Nico Kaufmann aufbewahrt, dazu mehrere Manuskriptversionen des Hesse-Zyklus.

Über Horowitz hatte Nico in Paris den exilierten deutschen Fotografen Herbert List (1903-1975) kennengelernt, von dem eine Aufnahme im Kreis-Heft 11/1949 erschien, sowie den mit List befreundeten Gründer und Herausgeber der Kulturzeitschrift du, Manuel Gasser (1909-1979). Beide, List und Gasser, kannten den Kreis; dass sie auch Abonnenten waren, ist jedoch nicht erwiesen.

Ernst Ostertag, Juni 2006