"Ältester Abonnent"

... und seine An­spra­che an der Ju­bi­lä­ums­fei­er 1957

In seiner An­spra­che zum 25-Jahr-Jubiläum erwähnte Karl Meier / Rolf einen Ka­me­ra­den, "den wir wieder seit vielen Jahren als treuen Leser unter uns haben" und dessen Signatur 1932, "vor 25 Jahren" für "einige Monate als ver­ant­wort­li­che Leitung" zeich­ne­te1.

Ich (Ernst Ostertag) ver­mu­te­te sofort, dass Karl Meier damit "yx" meinte, dessen Beiträge viele be­wun­der­ten. An dieser Feier lernte ich ihn per­sön­lich kennen. Karl Meier hatte ihn als "ältester Abonnent" vor­ge­stellt, bevor er seine An­spra­che hielt. Nach meinem eng­lisch­spra­chi­gen Teil der "of­fi­zi­el­len Be­grüs­sung" der Gäste waren Röbi und ich unten an der Büh­nen­ecke stehen ge­blie­ben, denn Sitz­plät­ze waren rar und mit unseren 27 zählten wir zu den Jüngsten. So kam es, dass dieser ältere Herr von der Bühne herunter direkt auf uns zukam und Röbi für seine Chansons und Cabaret-Einsätze be­glück­wünsch­te. Was er sonst noch sagte, ist uns ent­fal­len. Sein wirk­li­cher Name blieb un­ge­nannt, wie es im KREIS üblich war.

Trotzdem gibt es deut­li­che und klar be­grün­de­te Hinweise auf seine Iden­ti­tät. Aber lesen wir erst einige Sätze aus dieser "An­spra­che von yx"2:

"[...] Als wir vor fünf­und­zwan­zig Jahren die erste Nummer des Freundschafts-Banners her­aus­brach­ten, ahnten wir (kaum), was aus diesem be­schei­de­nen Pflänz­chen werden sollte. [...]

25 Jahre sind zwar beim Anfang des Men­schen­le­bens nicht sehr viel [...] wer sie aber dreimal hinter sich hat, der weiss (es) nur zu gut [...].

Die ei­gent­li­chen Ur­sprün­ge, die viel­leicht noch zwei oder drei Jahre früher an­zu­set­zen wären als das Datum, dessen 25jäh­ri­ge Wie­der­kehr wir heute feiern, ver­lie­ren sich im his­to­ri­schen Halb­dun­kel. [...]

Auch heute noch steht mir das be­schei­de­ne Lo­käl­chen im ersten Stock an der Spie­gel­gas­se so deutlich vor Augen wie die freund­li­che Gestalt unserer Mammina, die mit ihrer klugen Energie das Banner über die ersten Klippen hin­weg­trug. Sie erzählte mir später, ich habe ihr, als Rolf [im April 1934] in der noch so kleinen Ge­sell­schaft erschien, sofort geraten, ihr Au­gen­merk sorg­fäl­tig auf ihn zu richten, da er ver­mut­lich einmal ihre Aufgabe wei­ter­füh­ren werde. Ich selber hatte diese frühe Prognose ver­ges­sen. Eine bessere ist mir kaum je gelungen. [...]

Darüber hinaus wollen wir hoffen, dass das alles schliess­lich dem zugute kommt, was uns einigen muss und über alle Wi­der­wär­tig­kei­ten hinaus immer wieder einigen wird: dem Kampf um unser Men­schen­recht. Wir haben ihn noch lange nicht gewonnen. Auf der mensch­li­chen und kul­tu­rel­len Ebene wird er viel­leicht nie ganz aufhören. Auf der ju­ris­ti­schen Ebene glaubten die Op­ti­mis­ten unter uns, es sei schon alles gewonnen, als das eid­ge­nös­si­sche Straf­ge­setz­buch in Kraft trat. Das war eine Illusion.

Es beneiden uns zwar viele Aus­län­der, in deren Heimat es noch viel schlech­ter steht, um unsere recht­li­che Lage, aber wirklich be­frie­di­gend ist sie nicht. Wir wissen übrigens, dass auch damit nichts gewonnen wäre, wenn wir die recht­li­chen Be­stim­mun­gen und Formen ganz nach unserem Gut­dün­ken ge­stal­ten könnten. Auch dann noch hätten wir wohl mit tau­send­jäh­ri­gen Vor­ur­tei­len zu kämpfen. Aber wir dürfen mit Dank und Be­frie­di­gung fest­stel­len, dass es heute mit dem Urteil über unser Problem bei ge­bil­de­ten Menschen im grossen und ganzen besser steht als vor 30 oder auch nur vor 25 Jahren. Wie weit unser KREIS dazu bei­ge­tra­gen hat, lässt sich nicht ent­schei­den. Von einer wirk­li­chen Toleranz, die auf rück­halt­lo­ser An­er­ken­nung eines Rechts beruhen müsste, das man selber nicht braucht, aber dem Mit­men­schen nicht ver­wei­gern will und darf, ist immer noch wenig zu spüren.[...]"

"yx" war es, der höchst wahr­schein­lich jene Ver­bin­dung zu Prof. Ernst Hafter her­ge­stellt und ihm 86 Zeug­nis­se ho­mo­se­xu­el­ler Menschen zu­ge­spielt hatte. Diese Zeug­nis­se hatten Hafters Aus­füh­run­gen für viele Na­tio­nal­rä­te so über­zeu­gend gemacht, dass eine Mehrheit sich für die Ent­kri­mi­na­li­sie­rung unter Er­wach­se­nen aus­sprach. Das war 1929. Also in jenem "zweiten oder dritten" oben er­wähn­ten Jahr vor dem ersten Heft 1932. Zuvor hatte er in An­spie­lung an die 25 KREIS-Jahre von drei Mal so vielen Jahren ge­spro­chen und meinte damit of­fen­sicht­lich sich selbst. Demnach hatte er Jahrgang 1882.

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Ernst Ostertag, Mai 2005

Weiterführende Links intern

Prof. Hafters Vorschlag

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 10/​1957, Seite 13, Nach­druck der An­spra­che

2

Der Kreis, Nr. 11/​1957, Seite 10, Nach­druck der An­spra­che