1948

Erster Maskenball

... in der "Ein­tracht", Bal masqué - mot magique

Es war ein Wagnis. Würden viele Abon­nen­ten mit­ma­chen, nicht nur tanzen, sondern auch ori­gi­nell ver­klei­det er­schei­nen? Der grosse Aufwand durfte zudem kein Loch in die Kasse reissen. Karl Meier / Rolf ver­trau­te seinen KREIS-Ka­me­ra­den und schätzte die Si­tua­ti­on - drei Jahre nach Kriegs­en­de - richtig ein.

Au­gen­zeu­gen erzählen1:

"Alle sind selber schuld, dass sie so viele reizende Ein­drü­cke verpasst haben, alle - die nicht zum ersten Mas­ken­ball des KREIS gekommen sind! [...] Die ein­ge­führ­ten Gäste haben das chro­ni­sche Defizit glück­lich ab­ge­wen­det! [...]

Die im Kostüm der Kaiserin Eli­sa­beth von Öster­reich an­ge­führ­ten Dolly Sisters, [...] Madame Dubarry in einem Traum aus Schwarz und Silber, [...] unsere Sette, die einzige wirk­li­che Frau des Balles, als Madame la Marquise de Pom­pa­dour in einem gross­ar­ti­gen Staats­kos­tüm, geführt von Rolf als Marquis d'Eon in wun­der­vol­lem Habit aus weissem Damast, blauer Seide und Silber, [...] sie alle - hors concours!

Den ersten Preis holte sich - nach dem Urteil der sieben un­be­stech­li­chen Ver­mumm­ten - ein 'Mo­de­tot­sch' von hin­reis­sen­der Tra­ves­tie, [...]. Die 'Tanz­mas­ke von den Fidji-Inseln', ein dritter Her­ren­preis, war folk­lo­ris­tisch gross­ar­tig gemacht und führte sich mit einem gött­li­chen Wa­ckel­tanz ein. Der 'Herz­bu­b', ein ju­gend­li­cher Gast, bezwang die Richter zu einem 2. Ein­zel­preis und die 'Seven Sinners' mit der an Be­ards­ley ge­mah­nen­den Oscar Wilde-Figur wurden 'Dritte Gruppe'. Daneben gab es aber noch eine ganze Reihe wirklich schöner und präch­ti­ger Ge­stal­ten wie [...] Heinrich III von Frank­reich 'et son mignon préféré', eine mas­ken­lo­se 'Südsee-In­su­la­ne­rin' von er­staun­li­cher Echtheit, [...] ein baum­lan­ger Waggis von himm­li­scher Schlak­sig­keit, eine Rumba tanzende Carmen Miranda, eine trip­peln­de Tante Rosa, [...] Zigeuner, Matrosen, elegante Roben: Miss Paris, Rose de France, Fan­tai­sie en bleu. [...] Die 'Ver­tau­schun­gen des Ge­schlech­tes', die in der Fast­nachts­zeit, na­ment­lich auch in der Schweiz, gang und gäbe sind, blieben durchaus im äs­the­tisch Mög­li­chen. [...]

Rolf, deine Idee, der anfangs nicht wenige mit grosser Skepsis be­geg­ne­ten, hat sich bewährt; der zweite Mas­ken­ball wird nächstes Jahr folgen, dessen bin ich gewiss. [...] Es war schön - das bezeugen uns die Freunde aus Holland, die Gäste aus Frank­reich und Deutsch­land und - Übersee. [...] Dies sind Stunden, die uns dem Alltag ent­reis­sen, sie sind genau so wichtig wie das tägliche Brot. Sie geben uns frohe Ent­span­nung und inneren Aus­gleich. [...]"

Die erwähnte Sette war die tür­ki­sche Ser­vier­toch­ter, welche die KREIS-Ka­me­ra­den schon im Re­stau­rant "Schlauch" bediente und dann - von allen ge­schätzt - in der "Ein­tracht" weiter wirkte bis 1960, als der KREIS zur Aufgabe der Tanz­an­läs­se ge­zwun­gen wurde und dann das Lokal aufgeben musste.

Im Inneren des­sel­ben Februar-Heftes er­schie­nen zwei aus­führ­li­che Berichte auf Fran­zö­sisch. Aus dem ersten, verfasst von Ric unter dem Titel "Carnaval 1948"2:

"Bal masqué - mot magique - rêve de toute une année revenu réalité! Nous l'avons osé pour la première fois ce bal masqué tant demandé par les jeunes et sa réussite fut complète. Chose curieuse qui est à relever: Un bon tiers des as­sis­tants se com­po­sait non pas de nos membres mais d'hôtes dont l'ad­mis­si­on était autorisé ex­cep­ti­on­nel­le­ment. Le prix plutôt élevé de frs. 15.- ne les a donc pas effrayés.

Ceci nous prouve une chose: Beaucoup de ca­ma­ra­des éprou­vent le besoin - quel­que­fois c'est une simple cu­rio­sité pour voir 'ce que c'est' - d'aller au moins une fois dans ce cercle d'hommes qui sentent et pensent comme eux.

Sous le masque pro­tec­teur on peut - oh ironie! - se dé­pouil­ler aisément des préjugés, se donner comme on est. Qu'ils se ras­su­rent! [...] Espérons que beaucoup de ceux qui sont venus en curieux s'in­scri­ront à la cause qui nous est chère. [...]"3

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Ernst Ostertag, Mai 2005

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 2/​1948

2

Der Kreis, Nr. 2/​1948, Seiten 20 und 21

Anmerkungen
3

"Mas­ken­ball - ma­gi­sches Wort - Traum eines ganzen Jahres, Realität geworden! Wir haben ihn zum ersten Mal gewagt, den von den Jungen immer wieder ge­for­der­ten Mas­ken­ball; und das Gelingen war total. Be­son­ders in­ter­es­sant her­vor­zu­he­ben: Ein gutes Drittel der An­we­sen­den waren keine Abon­nen­ten sondern Gäste, denen die Leitung aus­nah­mes­wei­se Zutritt gewährte. Der recht hohe Preis von 15 Franken hat sie nicht ab­ge­schreckt.
Das beweist: Viele Ka­me­ra­den spüren den Drang - manchmal mag es auch nur das Aus­pro­bie­ren sein, das mal sehen, was hier so läuft -, um min­des­tens einmal in diesen Kreis von Männern zu gehen, die gleich fühlen und denken, wie man es selber tut.
Unter der schüt­zen­den Maske kann man - welche Ironie! - sich aller Vor­ur­tei­le ent­le­di­gen, sich geben, wie man fühlt und ist. Dass sie sich dessen bewusst würden! [...] Hoffen wir, dass viele, die aus Neugier kamen, sich nun der Sache an­schlies­sen, die uns so wichtig ist. [...]"