1974-2010

Letzte Jahre

... und Abschied

Nach Karl Meier / Rolfs Tod blieb Alfred Brauchli / Fredi in der gemeinsamen Wohnung an der Mühlebachstrasse, bis er 1998 ins Männer-Altersheim Frohalp in Zürich-Wollishofen übersiedelte, wo er noch zwölf Jahre lang lebte und ein letztes richtiges Zuhause fand.

Bei zunehmenden körperlichen Beschwerden blieb sein Geist bis zuletzt aussergewöhnlich rege. Er starb am 24. April 2010, einen knappen Monat nach seinem 94. Geburtstag, den er noch mit Verwandten und Freunden feiern konnte. Wenige Tage nach dem Geburtstag lud er alle Dienstpersonen des Heims zu einem Festessen ein, um seinen Dank zu zeigen. Damit war die letzte Aufgabe getan und er schlief friedlich ein.

An der Abdankung, so hatte er es bestimmt und gewünscht, fand die Lebensbeziehung zu Karl Meier den ihrer Bedeutung entsprechenden zentralen Platz im verlesenen Lebenslauf. Zuvor war die Urne, ebenfalls nach seinem Wunsch, im Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof Manegg in Wollishofen beigesetzt worden.

Während des abschliessenden Beisammenseins mit Verwandten, Freundinnen, Freunden, Bewohnern, Angestellten und der Leitung des Altersheims wurden wir (Röbi Rapp und Ernst Ostertag) eingehend nach Details zu Karl Meier und zum KREIS befragt. Alle wussten "etwas", aber nicht viel mehr, als was ich beim Fest zu Fredis 90. Geburtstag in seinem Auftrag vorgelesen hatte. Fredi Brauchli war ein Kind seiner Generation und tief davon geprägt: Von Persönlichem sprach man nicht - Liebesleben war kein Thema, und gleichgeschlechtliches Liebesleben erst recht nicht. Denn so schöne, erfüllende Seiten des Lebens sollten nie durch Neugierde und Unverständnis entzaubert oder beschmutzt werden. Das war keine Devise, es entsprach der Reinheit innersten Verbundenseins.

Bei einem der vielen Besuche im Altersheim schenkte Fredi Brauchli uns unter anderem zwei Fotos von Karl Meier / Rolf, damit wir davon Kopien herstellen konnten. Beide Bilder stammen aus dem Jahr 1942 und auf die Rückseite des einen hat Rolf am 22. November 1942 eine Widmung "für Fredy" geschrieben. Fredi nahm sie mit nach Russland und hatte sie als steten Begleiter bei sich, wie er uns erzählte.

Unter die Widmung setzte Karl Meier / Rolf die letzten Zeilen aus dem Zweipersonen-Stück "David" von Otto Zarek, das er schon in Der Eigene 1929 besprochen hatte1. David spricht sie zu Jonathan, bevor er in die Wüste fliehen muss (14. Szene):

"Einer, der liebte, stirbt nicht aus der Zeit.
Den Kuss, den er ins Herz des Bruders grub
Hat das Unsterbliche der Welt berührt
Und zeugt in Ewigkeit: die Liebe fort!"

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Ernst Ostertag, Februar 2006, ergänzt: Mai 2010

Quellenverweise
1

Otto Zarek: David, Georg Müller Verlag, München 1921, 14. Szene. Nachdruck in Menschenrecht, Nr. 11/1942 und Der Kreis, Nr. 12/1952