1967
Zwei Briefe
... von Robert Abraham
Am Tag nach der Versammlung und nach der ersten Besprechung der Kommission schrieb Robert Abraham einen Brief1, dessen Kopie sich im Nachlass von Eugen Laubacher / Charles Welti befand:
"Lieber Rolf [Karl Meier], lieber Rudolf [Rudolf Jung]
Niemand, aber auch gar niemand wird jemals ermessen können, was Ihr für uns alle getan habt! Ihr wisst es ja, ich habe dem KREIS zwei Lebenskameraden zu verdanken, die schönsten, herrlichsten, seligsten, nur durch Walters plötzlichen Tod getrübten Jahre meines Lebens. Erlaubt mir, ein Teilchen dieser grossen Schuld abzutragen.
Was ich diesem Brief beilege ist für jenen Fonds bestimmt, der mithelfen soll, Euren Lebensabend zu verschönern.
Mit herzlichen Grüssen,
Euer Robert Abraham"
Am 27. Oktober sandte er das Protokoll der Jahresversammlung an den KREIS, zusammen mit einem Begleitbrief, den Eugen Laubacher / Charles Welti ebenfalls abgelegt hatte:
"Lieber Rolf [Karl Meier],
In der Beilage erhalten Sie das Protokoll der Versammlung vom 22. ds. in dreifacher Ausführung nebst den mir freundlichst zur Verfügung gestellten Manus2. Ein Exemplar liegt noch bei mir, eines habe ich Herrn Portmann überlassen. [...]
Ich glaube, wir Kommissionsmitglieder haben nur EIN Ziel vor Augen: die Erhaltung und Fortsetzung Ihrer Lebensarbeit. Wir sind also gewissermassen Ihre Söhne, lieber Rolf, zum Teil rebellische Söhne, das gebe ich zu, aber Sie dürfen das nicht zu tragisch nehmen. [...]
Auch die Angst spielt eine Rolle, die Geborgenheit und das Zusammengehörigkeitsgefühl, die uns der KREIS nun einmal gibt, zu verlieren [...] und mit dessen Entzug Sie uns bedrohten. [...] Daher glaube ich nicht, dass es geschickt war, die Probleme, die der KREIS hat, in einer Vollversammlung zu erörtern. Damit haben Sie selbst jenes Missbehagen heraufbeschworen, welches Sie so sehr betrübt.
Ich sehe mit grossem Optimismus in die Zukunft. Es sind tüchtige, gute Kräfte da, die sich der Angelegenheit annehmen wollen. Sorgen macht mir einzig und allein der Club an der Köchlistrasse3 [...]. Die Sache ist die, dass ich den Fredy [...] seinen Anlagen nach für ungeeignet halte, einen Club für Homoeroten zu führen. Den Rückgang der Besucherzahlen hat er sich selbst zuzuschreiben. [...]
Mit herzlichem Handdruck"
Dem ersten der beiden Briefe hatte Eugen Laubacher / Charles Welti eine von ihm verfasste Antwort in Kopie beigelegt (auch sie wurde im Nachlass gefunden). Er schrieb an Robert Abraham:
"Sonntag, den 29. Oktober 1967
Lieber Kamerad,
Rolf und Rudolf gaben mir Kenntnis vom Inhalt Ihres Schreibens vom vergangenen Montag; gestatten Sie mir, Ihnen dafür im eigenen wie im Namen der Leitung des KREIS den aufrichtigsten Dank auszusprechen.
Die Versammlung unserer Abonnenten hat am 22. Oktober, wohl auf unseren Antrag hin, aber mit unwahrscheinlicher Gleichgültigkeit die Auflösung des KREIS hingenommen. Sie war lediglich darauf bedacht, dass das Klublokal und die Annoncemöglichkeit nicht verloren gingen. Ihr Brief hat wesentlich dazu beigetragen, die Bitterkeit zu zerstreuen, welche durch die Gedankenlosigkeit und durch die Forschheit einiger Wortführer bei der abtretenden Leitung, die immerhin einen Teil ihres Lebens den Nöten unserer Minderheit gewidmet hat, entstanden ist.
Ein ganz besonderer Dank gebührt Ihnen darüber hinaus für die hochherzige Spende zu Gunsten von Rolf und Rudolf. Ich darf Ihnen gestehen, dass mich vor allem die materiellen Konsequenzen, die sich für die beiden von Ihnen Bedachten ergaben, am meisten bedrückten. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, den Fonds, den Sie durch Ihr vornehmes Einstehen gelegt haben, durch andere Zuwendungen soweit zu erhöhen, dass sich Rolf und Rudolf in Ruhe ein neues Arbeitsfeld suchen können.
Mit freundschaftlichem Gruss
Ihr CW"
Ernst Ostertag, März 2006
Anmerkungen
- 1
datiert 23. Oktober 1967
- 2
mit den Ansprachen von Karl Meier / Rolf und Eugen Laubacher / Charles Welti
- 3
der Conti-Club