1958

Beginn der Repression

Mit dem zweiten Mord im homosexuellen Milieu begann die Zürcher Polizei die bereits vorhandenen Listen zu ergänzen. Ziel war das Registrieren möglichst aller homosexuellen Männer zumindest auf dem Gebiet der Stadt Zürich. Man erhoffte sich rascheren Zugang in dieses Milieu bei weiteren Straftaten und leichteren Zugriff auf einzelne Homosexuelle, wenn es um Abklärungen oder Überprüfen von Alibis gehen sollte.

Ab Sommer 1958 wurde die Polizei in grösserem Rahmen aktiv. Man hatte dazu bestimmte Konzepte entwickelt. Ein Zeitzeuge schildert, wie er als Einzelperson dieses unzimperliche und Bürgerrechte verletzende Vorgehen erlebte, wie er danach ins Homo-Register kam und in einem Verhör zur Preisgabe weiterer Namen gedrängt oder eher genötigt wurde. Die während des Verhörs abgegebene Versicherung, alle Details würden geheim gehalten und bei der Sittenpolizei verschlossen bleiben, ist sofort gebrochen worden. Der Vorgesetzte im Berufsumfeld des Zeitzeugen erfuhr vom Protokoll und nur die direkte Konfrontation mit seinem Chef bewahrte den Registrierten vor einer möglichen akuten Gefährdung seiner Arbeitsstelle.

Der Kreis berichtete im Frühherbst unter Pressestimmen über den Vortrag eines Zürcher Polizeikommissars, der Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen sowie Kontrollen von Telefon und Post als nötige und richtige Massnahmen bezeichnete, um die Gefährdung von Jugendlichen durch Homosexuelle zu bekämpfen. Auch eine andere Stimme zitierte der Kreis: Sie fragte, ob zum jetzigen Zeitpunkt eine Verschärfung der Gesetze vorzunehmen sei.

Getreu seiner humanen, aufgeschlossenen Tradition versuchte der Kreis den Teufelskreis der Repression zu durchbrechen und Wege aufzuzeigen, die dem Jugendlichen von heute gerecht werden. Dabei ging es darum, den jungen Homosexuellen - aber auch den Stricher - als Mensch voll und ganz ernst zu nehmen. Es sei ihm eine Zukunft zu öffnen, die er allein oder gemeinsam mit einem Gefährten und Freund gestalten könne. So würde wohl ein gutes, erfülltes Leben gelingen, auch in feindseligem, verständnislosem Umfeld.

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Ernst Ostertag, April 2012