Der Kreis zum Mörder

Für die Augustnummer verfasste Karl Meier / Rolf einen weiteren Kommentar mit dem Titel "Gefährten der Nacht":1

"Ein Aufatmen ging sicher nicht nur durch unsere Reihen, als am 15. Juli der Mörder des Komponisten Oboussier durch einen Zufall gefasst werden konnte. [...] Doch taucht noch eine andere Empfindung auf, wenn wir die letzten Berichte über den Lebenslauf des jugendlichen Mörders lesen, 'Er war im Oktober 1955 in die Anstalt eingewiesen worden, nachdem er offenbar eine nicht sehr glückliche Erziehung von Seiten der Eltern und später des Vormundes genossen hatte', schreibt die Neue Zürcher Zeitung NZZ in ihrer Mittagsausgabe vom 19. Juli. Sicher kann das in keiner Weise als Entschuldigung dafür gelten, dass einer mordet, aber es enthüllt in erschreckender Weise [...], wo die Entwurzelung so vieler Jugendlicher zu suchen ist: im Elternhaus, das keines mehr ist oder nie eines war.

Wie furchtbar muss es in einem Achtzehnjährigen aussehen, der sofort zusticht, dem tödlich Verwundeten noch den Schädel einschlägt, nachher seelenruhig seine Hände wäscht, ein Portemonnaie durchsucht, die Leiche beiseite schiebt, um die Wohnungstür öffnen zu können - und sich nachher ganz selbstverständlich in ein Café setzt. Was muss in einem jungen Menschen bewusst oder unbewusst zerstört worden sein, bis derartige Dinge überhaupt möglich sind! [...]

Aber noch eine andere Mahnung tritt uns aus den Zeitungsberichten entgegen:

'[...] er änderte in den Wochen bis zur - sehr zufälligen - Verhaftung bewusst keine seiner Lebensgewohnheiten und fand immer wieder vorübergehende Unterkunft bei Männern [...]'

Hat wohl einer davon - abgesehen von der Konfliktlage mit dem Gesetz - versucht, ihm zu helfen? Wirklich zu helfen und nachzuholen, was Eltern und Vormund versäumt haben? [...] Oder ging es nur um eine Nacht, die bezahlt wurde [...]?

[...] Wäre es nicht besser, seine Gefährten in einer sauberen Atmosphäre zu suchen und sich mit einem Kameraden vor die Öffentlichkeit zu stellen, dem man die Achtung gerechterweise nicht versagen kann? - Es wäre an der Zeit - für die Öffentlichkeit und für uns."

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Ernst Ostertag, September 2005

Quellenverweise
1

Der Kreis, Nr. 8/1957, Seite 8