"In memoriam"

... zum 70. Geburtstag, 13 Jahre nach seinem Tod

Zum 70. Geburtstag von Robert Oboussier schrieb Christian Weickert in der Tat:1 

"Ehe die Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) Berlin in der Nazi-Zeit gleichgeschaltet und bald danach verboten wurde, war sie eine der angesehensten und führenden deutschen Tageszeitungen. Sie hatte, wie wenige, ein politisches und kulturelles Profil, und ihre Stimme galt etwas.

Wenn wir heute daran erinnern, so um eines ihrer Besten zu gedenken, der lange Chef der Musikredaktion war, ein Mann, dessen profundes Wissen, brillanter Stil, hohe Menschlichkeit und nicht zuletzt Zivilcourage im Dritten Reich ihn weit über andere emporhoben: Robert Oboussier, dessen 70. Geburtstag die internationale Musikwelt am 9. Juli gefeiert hätte, wäre er nicht durch ein grausames Schicksal frühzeitig aus unserer Mitte gerissen worden.

[...] Er schrieb für die Revue hebdomadaire, die Münchner Neuesten Nachrichten, die Frankfurter Zeitung und seit 1933 als verantwortlicher Musikredakteur für die Deutsche Allgemeine Zeitung. Hier hatte ich das Glück, jahrelang mit ihm zusammenarbeiten zu können; keiner, dem das gleiche Los beschieden war, hat diese Zeit und die hierbei empfangenen Anregungen und 'Lehren' vergessen, denn wir alle waren und sind diesem Mentor viel Dank schuldig. Als die Verhältnisse in Deutschland immer unerträglicher wurden, ging Oboussier in die Schweiz, [...].

Vielfältig war das Schaffen des Komponisten Oboussier: [...] Nach Berlin kehrte er 1951 noch einmal zurück zur Uraufführung seiner Oper 'Amphitryon' - der alte beliebte Komödienstoff erschien in einem heiteren, unbeschwerten und zugleich hintergründigen Gewande.

Auch der Schriftsteller ist unvergessen. Gültig ist noch [...] seine im Auftrag der Berliner Philharmoniker geschriebene Einführung in die neun Sinfonien Beethovens und vieles andere. Zu seinem Freundeskreis gehörten die Männer um Stefan George, Carl Schuricht und vor allem Wilhelm Furtwängler, dem er die Spalten der DAZ zu dem berühmten Artikel über Hindemith öffnete, mit der Folge, dass Furtwängler von den Machthabern des Dritten Reiches seiner Ämter enthoben wurde und die Uraufführung von Hindemiths Oper 'Mathis der Maler' nach Zürich vergeben werden musste.

Ein ganz besonderes Verdienst hat sich aber der Atlantis Verlag mit den unter dem Titel 'Berliner Musik-Chronik 1930-1938' herausgegebenen ausgewählten Rezensionen und Essays Oboussiers erworben. Dieses Buch greift weit über den Rahmen Berlins hinaus und zeigt, welch unwahrscheinlich geistiges Musikzentrum das damalige Berlin war, zugleich aber auch, wie mutig sich Oboussier gegen die seit 1933 immer stärker werdende Tyrannei zur Wehr setzte, wie er für Mendelssohn, Schönberg, Alban Berg, Schreker, Leo Blech und andere eintrat, lediglich geleitet von der Kraft und der Persönlichkeit der Männer, über die er schrieb. [...] Diese Schrift ist eine Kostbarkeit, ein Stück deutscher und europäischer Musikgeschichte und ein an Prägnanz und Eindringlichkeit schwer zu überbietendes Bild von Robert Oboussier."

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Ernst Ostertag, September 2005

Quellenverweise
1

Christian Weickert, Die Tat vom 4. Juli 1970, Seite 35, "Robert Oboussier zum 70. Geburtstag", Nachruf