Linkes Presseurteil

Vorwärts, die in Basel erscheinende Zeitung der PdA (Partei der Arbeit, Kommunisten), ging am 29. Dezember 1957 unter dem Titel "Warum Oboussier umgebracht wurde" sehr detailliert auf das Geschehen und die Person des Mörders ein und verband dabei gesellschaftskritische Fragen mit der These der Dekadenz, die sich im Treiben der Homosexuellen manifestiere. Vom Verfasser "bo." wurde das tragische Bild eines Jungen gezeichnet, der unverschuldet auf die schiefe Bahn geriet:

"So wie viele 'Besserungsanstalten' sich bei näherem Hinsehen als eigentliche Schulen für Verbrechensvorbereitung entpuppten, so machte sich im Heim ein unheilvoller Einfluss geltend, der Walter eine Stufe hinunter riss. Die Zöglinge diskutierten unter sich die Aussichten eines Strichjungen, der in Zürich in Saus und Braus leben könne. [...] Jeden Abend suchte er sich einen Homosexuellen, bei dem er übernachtete und der ihn bezahlte. Dabei war er nicht etwa pervers veranlagt. Zwischendurch verkehrte er mit Frauen. [...]"

So kam es zur verhängnisvollen Begegnung. Bei Oboussier zu Hause habe er diesem die Flucht aus der Anstalt anvertraut. Später habe Oboussier, um ihn gefügig zu machen, mit Anzeige bei der Polizei gedroht und darauf sei es zur Verzweiflungstat gekommen:

"Der achtzehnjährige Täter wurde vor Bezirksgericht Zürich, das Minderjährige aburteilt, zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Unter Berücksichtigung der Umstände, die zum Mord führten, scheint uns die Strafe sehr hart. [...] Schon oft haben Geschworene Mörder freigesprochen, wenn ihre Tat einem Streit folgte, der für alle Beteiligte ein erhöhtes Risiko darstellte. Es entspricht dem Volksempfinden, dass der umkommt, der sich in Gefahr begibt. Was unternimmt der Regierungsrat gegen warme Herren?

Im Mordprozess Oboussier ist ausgekommen, dass der Minderjährige Walter Siegfried noch 24 anderen Homosexuellen als Lustknabe gedient habe. In einer kleinen Anfrage erkundigt sich der Winterthurer Demokrat Prof. Beck, was der Regierungsrat gegen die Herren zu unternehmen gedenke. Eine sehr berechtigte Frage!"

Ernst Ostertag, September 2005