Rechts-Demokrat reagiert
... im Zürcher Kantonsrat
Prof. Marcel Beck, dessen Anfrage die linke Zeitung Vorwärts zitierte, war Zürcher Kantonsrat der Demokratischen Partei. Diese hatte sich 1942 von der Freisinnigen Partei FP abgespalten und verfolgte aus ihrer eigentlichen Basis, der Stadt Winterthur, eine konservativ-bürgerliche Linie, die von Marcel Beck massgeblich geprägt war. Sie gliederte sich 1971 wieder in die FP ein, die seither Freisinnig Demokratische Partei FDP heisst.
Dazu Der Kreis unter dem Titel "Ein wichtiges Urteil in Zürich":1
"In der Tageszeitung Volksrecht [Blatt der SP] vom 14. Februar 1958 lesen wir [...]:
'Prof. Dr. Marcel Beck, Winterthur (dem.), hatte im Kantonsrat folgende Kleine Anfrage eingereicht:
Der Gerichtsberichterstattung [...] über den Mordfall Oboussier war zu entnehmen, dass der Täter die Namen weiterer vierundzwanzig Männer genannt haben soll, [...]. Da der Mörder Siegfried zu jener Zeit das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hatte, kommt in allen diesen Fällen der Straftatbestand widernatürlicher Unzucht mit Unmündigen in Frage.
Kann der Regierungsrat darüber Auskunft geben, ob die zuständigen Gerichtsinstanzen diese Seite der tragischen Affäre von Amtes wegen weiterverfolgen [...], um die eventuell Fehlbaren ohne Ansehen der Person strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen?
Welche Möglichkeiten sieht der Regierungsrat, um die Jugend vor der Nachstellung durch Homosexuelle zu schützen und die damit zusammenhängenden Verbrechen energischer als bisher zu bekämpfen?
DER REGIERUNGSRAT ANTWORTET
Der homosexuelle Umgang mit Minderjährigen zwischen 16 und 20 Jahren wird nur dann unter Strafe gestellt, wenn der Minderjährige hiezu verführt wird. Der 18jährige Walter Siegfried plante schon vor seiner Flucht aus der Anstalt Aarburg, seinen Lebensunterhalt aus dem Erlös widernatürlicher Unzucht zu bestreiten. [...] Aus diesem Grunde wurde er vom Gericht nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen gewerbsmässiger widernatürlicher Unzucht bestraft.
Die Verführung eines Minderjährigen ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Minderjährige selber gewerbsmässig homosexuelle Beziehungen anknüpft. Aus diesem Grunde können seine Partner strafrechtlich nicht zur Rechenschaft gezogen werden. DIE JUGEND VOR NACHSTELLUNGEN DURCH HOMOSEXUELLE ZU SCHÜTZEN, IST AUFGABE DER POLIZEI, in der Stadt Zürich vor allem der Stadtpolizei Zürich. [...]' "
Die Kreis-Redaktion hat sehr bewusst den Satz hervorgehoben, der die Aufgabe der Polizei umschreibt, auch als Mahnung an die Leser. Er sollte sehr bald mehr als nur Mahnung werden.
Ernst Ostertag, September 2005
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 3/1958, Seite 19