1960
Briefaktion: Muster-Protestbrief
... des KREIS
Nun veröffentlichte der Kreis den Brief jener Frau, die eine Kopie "zum Nachdruck" an die Redaktion gesandt hatte. So konnte er Abonnenten als Vorbild für eigene Briefe dienen. Gerichtet war er an die Redaktion der TAT:1
"[...] Ihre Zeitung hat einige Zeit zurück in der Ecke der ersten Seite eine sehr treffende Mahnung an die Schweizer Presse gebracht, sich zu hüten, auf das Niveau gewisser Skandalblätter herabzusinken. [...]
Zu meinem grossen Bedauern muss ich feststellen, dass sich in ihrem Blatt ein Ton einschleicht, der sich sehr bedenklich in solcher Richtung bewegt. Ein Blatt wie Die TAT, die das Organ des Landesrings ist und einen politisch interessierten Leserkreis hat, hat es nicht nötig, damit 'blickzufangen' und sollte in dieser Beziehung sehr wachsam sein. Ihre Überschriften auf der aktuellen Seite sind in ihrer Verkürzung oft nicht nur eine Vergewaltigung der Sprache, sondern auch [...] oft eine sehr zynische Gegenüberstellung, [...].
In Harnisch gebracht hat uns aber Ihr Artikel in der Ausgabe vom 27. Juni: IM SUMPF DER GROSSEN STADT, wo Ihr Berichterstatter den Stab über die Homosexualität bricht und sie mit den 'Strichjungen' in einen Topf wirft. Es scheint ihm an Bildung und Wissen zu fehlen, denn sonst müsste ihm bekannt sein, dass es unter den Homosexuellen ganz grosse Geister gegeben hat, die der Menschheit mehr dienten als mancher, der sich darüber moralisch entrüstet.
Es ist nicht meine Aufgabe, auf die Ausfälle gegen die Zeitschrift Der Kreis einzugehen, denn ich nehme an, dass sich die Verantwortlichen selbst wehren können. Und es ist nicht Querulanz oder Freude am Kritisieren, die mich zu diesem Schreiben veranlassen, sondern der Wunsch, in der TAT auch weiterhin eine Zeitung zu bekommen [...] die sagt, was gesagt werden soll - aber nicht auf dem Niveau eines Skandalblattes. [...]"
Ernst Ostertag, Oktober 2005
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 7/1960, Umschlag