1960
Epilog
... von Rolf: "Der Verfemte"
Einen Epilog, sozusagen, schrieb Karl Meier / Rolf für das Oktoberheft - anstelle der üblichen Einladung zum Herbstfest - und wählte den Titel "Der Verfemte":1
"Ein Farbiger unter Weissen [...], ein Jude unter Christen [...], ein Homoerot unter den der Frauenliebe Ergebenen - unsichtbar trägt jeder von ihnen das Zeichen des Verfemten. Er hat das Antlitz aller Rassen, aller Überzeugungen, aller Religionen, aller Minderheiten. Er ist immer der, dem man kein Recht zugestehen will, weil er unter einem anderen Gesetz und Schicksal steht, das er sich aber nicht selbst gewählt hat, sondern das auch ihm zugewiesen wurde. [...]
Der Verfemte ist der Prügelknabe, den man schlagen kann, um von den eigenen Fehlern abzulenken oder um für eine Katastrophe den unschuldigen 'Schuldigen' zu finden, den die Masse nur allzu gern mit ihren Giftpfeilen durchbohrt, kommen sie nun aus dem Dschungel verdunkelten Denkens oder aus der Garküche billigen Hasses oder kleinlicher Rachegelüste.
Heute hageln Giftpfeile in der Welt erneut auf den, der sich dem gleichen Geschlecht zuneigt. Es ist erstaunlich, aus wie vielen Ländern plötzlich Bestrebungen sichtbar und fühlbar werden, um den Homoeroten als den Prügelknaben par excellence an den Pranger zu stellen.
Was können wir tun? - Nichts anderes als das seit jeher Gültige: Mensch zu sein und sich zu bewähren, ebenso wie der mit einer anderen Farbe Gezeichnete, von einem anderen Glauben Erfüllte. Uns ist nur eine andere Lebensform aufgetragen, und es braucht nichts anderes als diese Aufgabe menschlich sauber zu lösen. - Mehr nicht."
Ernst Ostertag, Oktober 2005
Quellenverweise
- 1
Der Kreis, Nr. 10/1960, Seite 1