1969

Diffamierungs-Widerstand

... "Zürich - Weltzentrum der Homosexuellen"

Im September 1969 wurde in Zürich erneut ein schwuler Mann von Strichjungen getötet.

Dieselbe Tageszeitung, die 1960 als erste Verleumdungen über den KREIS veröffentlicht hatte, Die Tat, kommentierte den neuen Mordfall. Sie tat es im unveränderten Boulevard-Jargon wie damals und machte zudem die beiden Mörder zu Opfern. Also ganz so, wie es am Anfang der Repression bei den ersten Mordfällen vor zwölf Jahren geschah.

Doch nun regte sich Widerstand. Dies zunächst mit Leserbriefen. Und die Nachfolge-Zeitschrift des Kreis, das Heft club68, rief zu Aktionen auf: Man solle beides tun, Leserbriefe schreiben, aber auch Parks und sonstige Treffpunkte meiden, um der Polizei keinen Anlass für neue Razzien zu geben.

Die Mitte-Partei Landesring der Unabhängigen (LdU) rief zu einem Diskussionsabend, an dem man scharfes Vorgehen fordern wollte. Es kam anders, weil sich Mitglieder der Nachfolge-Organisation des KREIS, des Club 68 (später Schweizerische Organisation der Homophilen, SOH), offen mit klaren Voten beteiligten und damit - erstmals in der Schweiz - ein solidarisches Coming Out als ganze Gruppe wagten.

Die allgemeine Grundstimmung unter Homosexuellen rief nach Änderung. Man wollte nicht mehr still und schon gar nicht mehr Opfer sein. Man lebte im Jahr des Schwulen-Aufstandes in der New Yorker Christopher Street und hatte die Botschaft vernommen.

Ernst Ostertag, März 2011