"Kastrieren", Freitod: Homosexuelle

1701 gab es in Zürich den letzten Hexenprozess. Franz Rueb im Tagblatt der Stadt Zürich:1

"Im Dorf Wasterkingen bei Rafz beschuldigte man 1701 mittellose Bauern der Hexerei. Der Vogt von Eglisau führte darauf Untersuchungen durch, danach liess der Zürcher Stadtrat die Verdächtigen in die Stadt bringen. Hier wurden sie so lange gefoltert, bis sie unter Todesqualen ihren Pakt mit dem Teufel 'zugaben'. Es folgte die Hinrichtung. Die acht 'Schuldigen' wurden geköpft, ihre Leichen verbrannt. [...] Sieben der acht Opfer waren Frauen. [...] Die Frau wird in der Bibel dem Naturprinzip näher gestellt. Also gilt sie als [...] anfälliger für die Versuchungen des Teufels. [...] Hexenverfolgungen waren stark vom geistigen Klima abhängig."

Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert begann sich ein anderes geistiges Klima durchzusetzen. Auch in Bezug auf Homosexuelle. Die kirchliche These der "Sünde wider die Natur" wurde hinterfragt und nicht mehr akzeptiert. Dafür sah man nun gleichgeschlechtliche Verhaltensweise als Defekt der Natur. Und defektes Verhalten ist krankhaftes Verhalten. Somit kamen die Homosexuellen aus dem Pfuhl der Sünde unters Messer der Mediziner und in die Besserungsanstalten der Psychiater. Denn Krankheiten kann man heilen. Nur, die medizinwissenschaftlichen Therapiemethoden waren ebenso lächerlich wie die dazu erstellten Anamnesen und Diagnosen. Und ebenso wirkungslos wie zuvor die Austreibung der Sünde samt der eh und je praktizierten Kriminalisierung. Eh und je dieselben blieben nur die Opfer all dieser Verirrungen: die Homosexuellen aller Zeiten, Frauen wie Männer.

Ernst Ostertag, November 2005

Quellenverweise
1

Tagblatt der Stadt Zürich, 26. September 2005