1963-1966

Zum Thema Repression: In Politik und Medien

... Vorstösse und Diskussionen

1962/1963 kam es zu einem Vorstoss von rechtsgerichteter Seite im Nationalrat, wonach die Kriminalisierung homosexueller Akte wieder einzuführen sei. Das schweizerische Strafgesetz solle dem deutschen §175 angeglichen werden. Der Vorstoss wurde mit grossem Mehr angenommen, landete dann aber in einer Schublade.

Ein ebenfalls am rechten Rand politisierender Zürcher Kantonsrat schrieb 1963 in seiner Zeitung von der "Kloake der Homosexualität" und über die "rauschenden Feste" im (KREIS)-Lokal "Eintracht", wo Männer es "abgesehen haben, selbst im schamlosesten Liebeswerben der Frau überlegen zu sein". Und er reichte eine Interpellation an den Regierungsrat ein, jene Gastwirte seien hart zu bestrafen, die Treffpunkte für Homoxsexuelle und Stricher ermöglichen. Die Stadt habe die "Eintracht" für diese Leute dicht gemacht, nun müsse auf dem ganzen Kantonsgebiet dasselbe erfolgen.

Darauf gab es kritische Reaktionen nicht nur im Kreis, sondern auch in Leserbriefen.

Wichtigste Reaktion aber war - September 1963 - eine Artikel-Serie unter dem Titel "Zürich und das 'Dritte Geschlecht' ". Sie erschien in der Zürcher Woche in Form von Interviews mit Persönlichkeiten aus Justiz und Polizei, mit einem Stadtrat (Polizeivorstand), mit dem Leiter der psychiatrischen Poliklinik und - erst- und einmalig - mit einem der Homosexuellen selber. Das war Karl Meier / Rolf vom KREIS. Ermöglicht hatte diese "mediale Information" aus erster Hand der neue Chefredaktor. Er war bekannt als Autor von treffend formulierten, meisterhaften Cabaret-Texten und als Berater im Schauspielhaus Zürich. Der Schauspieler Karl Meier konnte ihm kein Fremder sein. Diese ganze Interview-Serie war ein Meilenstein, auch wenn die repressiven Geister noch lange nicht verstummten.

Ein Fazit zog Karl Meier / Rolf, als er Ende 1964 von jenen vielen schrieb, die sich niemals "zu erkennen geben möchten", weil die Nachteile und Gefahren noch viel zu gross seien, bis die "Allgemeinheit und die Behörden" dem Homosexuellen "das gleiche Recht zugestehen wie jedem anderen Bürger. Doch bis dahin ... ist noch ein weiter Weg". Ein Brief des Kriminalkommissärs der Sittenpolizei, es habe nie Anlass gegeben, Einsicht in die Abonnentenliste des KREIS zu fordern - dieser Brief kam bewusst zur Veröffentlichung im Kreis-Heft. Man signalisierte mit diesen Publikationen Verständnis für die schwierige und gefährliche Situation, in der sich viele Homosexuelle befanden und wollte zugleich Ängste und Misstrauen unter ihnen und den Abonnenten abbauen. Trotzdem, der Abonnentenverlust war nicht zu stoppen.

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Ernst Ostertag, April 2012