Professionalisierung
An der Generalversammlung vom 2. Juni trat der Präsident Alex V. Meier (Pseudonym) zurück. Als Ersatz bot sich wiederum Robert Abraham an, wovon im Juli berichtet wurde.1
Der alte neue Präsident begann sein Präsidium mit der intensiv gestellten alten neuen Frage:2 "Ist ein Club zeitgemäss? Notwendig?" und lud auf den 4. Oktober alle Aktiv- und Passivmitglieder in den Conti-Club ein zu Gesprächen, zum Diskutieren und sich Kennenlernen. Vorschläge und Anregungen für die Aussprache formulierte er zu Hauf, sodass jeder sich angesprochen fühlte und gleich mitzudenken begann. Über diese Begegnung berichtete Peter Urs Lerch / Urs Frank im Editorial vom Oktober:3
"[...] Es war ein wertvolles, hochinteressantes und fruchtbares Treffen - es hat einem offensichtlichen Bedürfnis entsprochen. [...]
Wenn man sich in letzter Zeit oft gefragt hatte, warum der Club 68 seinen Weg nach aussen so vorsichtig gehe, warum er nicht, wie andere befreundete Organisationen, mit lautem Wirbel auf die Strasse dringe - an diesem Meeting erwies sich die Richtigkeit einer fundierten, behutsamen, in Etappen gestuften Öffentlichkeitsarbeit. Weil nämlich viele Mitglieder, vor allem diejenigen, die in ländlichen Verhältnissen leben, von den unzähligen Schwierigkeiten berichteten, die ihnen eine verständnislose Umwelt dauernd schafft - ihrer Veranlagung wegen. Und weil die ersten Ansätze von Toleranz seitens der Öffentlichkeit nicht mit masslosen Forderungen zerstört werden dürfen.
Deshalb erhielt der Präsident [...] lebhafte Zustimmung, als er bekannt gab, dass der Club 68 seinen Vormarsch wohl angetreten hat, dies aber nicht mit lauten Protestaktionen tut, sondern indem er zuerst einmal die Kontakte mit den Behörden fördert und das Gespräch mit den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Wissenschaft sucht. [...]"
Im Sommer wählte die Aktivmitgliederversammlung Werner Tanner (der mit Werner Ammann zeichnete) zum neuen Geschäftsführer.
Der Beratungsdienst wurde weiter professionalisiert. An seinen Telefonservice wandten sich nicht nur Mitglieder, denn er war weit über den Club 68 hinaus bekannt. Wie Robert Abraham in seinem Rückblick zur Jahreswende mitteilte4, hatten
"die Homophilen vor zwei Monaten erstmals den Kontakt mit der Öffentlichkeit, unserer schweigenden Mehrheit, aufgenommen. Als Kontaktinstanz amtet der Beratungsdienst. Er umfasst heute ein stattliches Team bestehend aus drei Psychologen, einem Seelsorger, einem Arzt und unterhält Beziehungen zu weiteren Ärzten und einem Juristen."
Diese Gruppe nannte sich ATLAS. Sie ging mit Inseraten in die Öffentlichkeit und stellte die Verbindungen zum Verein Club 68 her.
Der zum Jahreswechsel veröffentliche "Arbeitskalender" über die Monate Oktober bis Dezember 1970 entsprach den Leitthemen, welche die Gesprächsrunde vom 4. Oktober aufgelistet hatte:5
"Oktober: - Gründung der ATLAS Psychologen-Organisation. Erste Inserate in der TAT, AZ, Tagesanzeiger, Tagblatt. - Besprechung mit der Redaktion des 'Schweizerischen Beobachters'. [...] - Es ist eine grosse Umfrage in Vorbereitung. - Rundtischgespräch mit dem Chef der Lehrlingsausbildung eines Bankinstituts und zwei Lehrlingen. - Fühlungsnahme mit dem Soziologischen Institut der Universität Zürich.
November: - Treffen mit der Leitung des Isola und Ursus Clubs in Basel. Vorbereitung der Aufnahme dieser Clubs mit einer Delegation im Aktivmitgliederverband des Club 68. - Vorbereitung der Sektionsbildung. - Rundtischgespräch mit drei Soziologen der Universitäten Genf und Bern und des Instituts für Soziale Studien in Genf. Dieses Gespräch wird Anfang 1971 fortgesetzt. - 'club 68 show'.
Dezember: - Rundtischgespräch mit Jugendlichen der katholischen Kirchgemeinde Windisch (AG) im Alter von 16-18 Jahren. Begleitend ein Referat von Hans Felix, Mitarbeiter unseres Beratungsteams, über 'Homosexualität'. - Aufnahme von Delegationen des Isola und Ursus Clubs in den Aktivmitgliederverband des Club 68."
Ernst Ostertag, März 2006
Quellenverweise
- 1
club68, Nr. 7/1970, Seite 8
- 2
club68, Nr. 9/1970, Seite 4
- 3
club68, Nr. 10/1970, Seite 2
- 4
club68, Nr. 12/1970, Seite 5
- 5
club68, Nr. 1/1971, Seite 5