1976

Briefe: Kripo-Chef

Auszüge

Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen SOH und Kriminalpolizeichef Walter Hubatka:1

25. Mai 1976, SOH an Hubatka:

"Eines der Hauptziele der SOH ist, auf einen Abbau der Diskriminierung hinzuarbeiten. [...] Nachdem die registermässige Erfassung der Homosexuellen eine derartige Diskriminierung ist, wünschen wir, über die geübte Praxis [...] orientiert zu werden. [...]

Demzufolge erlauben wir uns, mit der höflichen Bitte an Sie zu gelangen, der SOH Ausfertigungen der Dienstbefehle, bzw. Weisungen zu überlassen, wodurch das Vorgehen [...] gegenüber Homosexuellen - insbesondere die Frage der Registrierung - geregelt wird."

31. Mai 1976, Hubatka an SOH:

"Es gibt auch Homosexuelle, die sich nach der geltenden Rechtsordnung strafbar machen. Die Vormerknahme eines homosexuellen Menschen in einer Kartei ist daher nichts anderes als ein Hilfsmittel. Als Diskriminierung könnte diese registermässige Erfassung nur empfinden, wer die homosexuelle Veranlagung selbst als diskriminierend empfindet. [...]

Diese Kartei ist streng vertraulich und dient nur polizeiinternen Zwecken. [...] Ihrem Wunsch, Ihnen Dienstanweisungen [...] zu überlassen, kann ich aus Konsequenzgründen nicht entsprechen."

In ihrer Antwort vom 29. Juni 1976 verwies die SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen) unter anderem auf die Abschaffung des Freier-Registers, dem eine breite öffentliche Kampagne im Sommer 1967 vorausgegangen war.2 Im Zentrum dieser Kampagne standen die publik gemachten Dienstvorschriften der Polizei und dass es sich hier um "Vorgehen ausserhalb des Bodens des Rechts" und eindeutige Verstösse gegen Art. 7 der zürcherischen Kantonalverfassung handle, wonach "die persönliche Freiheit gewährleistet" sei:

"Es gibt Präzedenzfälle dafür, dass der genaue Inhalt polizeilicher Dienstbefehle nach aussen bekanntgegeben wurden. Wir erwähnen namentlich Ihre Weisung betreffend einer Freier-Registrierung, welche in einer Antwort des Stadtrates vom 5. Oktober 1967" erörtert wurde. "[...]

Diskriminierung liegt [...] doch eindeutig vor, sobald der Homophile in einer gegebenen Situation anders als der Heterophile behandelt wird. Wir haben viele Beweise, dass dem so ist. Nicht zuletzt die seinerzeitige Diskussion um die Freier-Registrierung hat gezeigt, dass der Heterophile trotz der zwingenden Vorschriften von Art. 4 der Bundesverfassung und Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention stets viel schonender behandelt wird als der Homophile."

22. Juli 1976, Hubatka an SOH:

"Ihre Ausführungen [...] enthalten keine neuen Momente, die meine Beurteilung in dieser Sache zu ändern vermöchten. [...] Sie werden im Ernst wohl kaum annehmen, dass eine Privatperson oder eine private Institution im gleichen Rahmen und Umfang Anspruch auf Auskunft hat wie ein Gemeindeparlament."

Hier war vorläufig kein Weiterkommen. Allerdings, der Hinweis auf das Gemeindeparlament zeigte den möglichen weiteren Weg: Politische Parteien dieses Parlaments waren einzuspannen!

Nach oben

Ernst Ostertag, Mai 2007

Quellenverweise
1

hey, Nr. 4/1978, Seiten 4 bis 12

2

hey, Nr. 4/1978, Seiten 12 bis 15