1977

Briefe: Polizeivorstand

Auszüge

Bevor man den Kontakt zu den politischen Parteien suchte, versuchte man es an höherer Stelle: per Briefwechsel mit dem Polizeivorstand, Stadtrat Hans W. Frick (LdU).1

1. März 1977, SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen) an Frick:

Kritik am Register und Ersuchen um Herausgabe der Dienstanweisungen.

6. Juni 1977, Frick an SOH:

"[...] im besagten Register wird keine Person nur deshalb vermerkt, weil sie homosexuell veranlagt ist. Die Polizei verfolgt nicht das Ziel, ein möglichst vollständiges Register [...] zu erstellen [...] es werden auch nicht wahllos alle der Polizei bekannten Homophilen registriert. [...]

In Bezug auf die typischen Delikte im Homosexuellen-Milieu [...] kann die Kriminalpolizei umso wirkungsvoller sein, je besser sie über dieses informiert ist. Das umstrittene Register trägt dazu bei. [...] Eine Benachteiligung ist für den Betroffenen mit der Registrierung nicht verbunden. Von einer Diskriminierung [...] kann nicht gesprochen werden. [...] Interne Dienstanweisungen sind [...] nicht zu veröffentlichen [...]. Nun kommt aber hinzu, dass bezüglich des Homosexuellen-Registers gar keine spezielle Dienstvorschrift besteht [...]."

6. Juli 1977, SOH an Frick:

Ihren Behauptungen müssen wir eine Formulierung des in unserer Organisation bekannten Stadtratsbeschlusses Nr. 3073 vom 25. September 1969 entgegenstellen. Dort wurde auf Betreiben des Polizeiamtes und (indirekt) der Stadtpolizei festgehalten, Kriterium für den Eintrag ins Register könne 'nur die amtliche Kenntnis der homosexuellen Betätigung sein'. Mithin galt mindestens bis 1969 zweifellos eine Praxis, welche mit Ihrer zuvor in Erinnerung gerufenen Schilderung in schärfstem Widerspruch steht. [...]

Der zitierte Stadtratsbeschluss blieb zum Glück nicht unangefochten. Der nach dem Rekurs ergangene Bezirkratsbeschluss [...] vom 12. Februar 1970 sowie der spätere Regierungsratsbeschluss [...] vom 9. Dezember 1971 liegen unserer Organisation vor. In beiden erwähnten Beschlüssen3 wurde dem Stadtrat sowie [indirekt] dem Polizeiamt und der Stadtpolizei Unrecht gegeben. Letztere war somit gehalten, den zuvor jahrelang als rechtens ausgegebenen Registereintrag zu löschen."

Dann stellte die SOH fest, dass

  1. trotzdem kein Verzicht auf die von den übergeordneten Stellen beanstandeten Registrierungen noch
  2. das Löschen sämtlicher nun als illegal erkannten Registereintragungen erfolgt sei,

um abschliessend zu formulieren:

"Wir halten die Diskriminierung für überaus gravierend und werden fortan energisch dagegen protestieren. Die Verletzung der Rechtsgleichheit erscheint als unbestreitbar."

16. September 1977, Frick an SOH:

"Auf Grund des erwähnten Regierungsratsbeschlusses bestand keine Rechtspflicht, weitere Löschungen [...] anzuordnen. [...] Es besteht keine Veranlassung, von der [...] Praxis der Stadtpolizei abzuweichen. [...]

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Stadtpolizei eine Person mit homosexuellen Neigungen nur registriert, wenn diese Person in einem Strafverfahren beschuldigt oder verhaftet worden ist, oder wenn sie selbst einer Registrierung zugestimmt hat, bzw. wenn sie sich durch öffentliche Betätigung ihrer homosexuellen Neigungen oder durch Strichgang exponiert hat."

Damit war geklärt:

Die Polizei stützte sich auf "keine spezielle Dienstvorschrift", sondern nur, wie Jürg Wehrli in seinem Kommentar im hey "Sind Sie schon registriert?" betonte2, auf

"eine Gummiklausel aus der

'Vereinbarung4 zwischen dem Regierungsrat des Kantons Zürich über die Ausübung der Kriminalpolizei und der politischen Polizei auf dem Gebiet der Stadt Zürich vom 3. März 1944',

wo die Führung eines sogenannten Spezialregisters vorgesehen ist. Es dürfte zumindest zweifelhaft sein, ob diese Basis genügt. Das wird sich herausstellen."

Mit dem "Zusammenfassend ist festzuhalten" lag nun ein Registrierungskodex von höchster Stelle vor, mit dem willkürliches Vorgehen seitens der Polizeiorgane gestoppt und juristisch bekämpft werden konnte. Das war wenigstens ein Schritt Richtung Rechtssicherheit. Die grundsätzliche Diskriminierung aber blieb bestehen, indem die geltende Praxis ausdrücklich beibehalten und erst noch als nicht diskriminierend deklariert wurde.

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Ernst Ostertag, Mai 2007

Quellenverweise
1

Jürg Wehrli, hey, Nr. 4/1978, Seite 8 ff, wörtlicher Nachdruck. hey, Nr. 3/1979, Seite 7, Zusammenfassung

2

hey, Nr. 4/1978, Seite 15

Anmerkungen
3

dieser beiden dem Stadtrat übergeordneten Gremien: Rat des Bezirks und Kantonsregierung

4

Diese Vereinbarung richtete sich damals, mitten im Krieg, vermutlich gegen gewisse politische Zirkel.