1978

CSD: Ansprachen

… im Platzspitz-Park

Jürg Wehrli fuhr in seinem Bericht im hey fort:1

"14.45: Ich schlendere Richtung Platzspitz. [...] Der Himmel hat sich wieder geschlossen. [...] Im Pavillon bewegen sich einige Figuren. [...] Bekannte Gesichter lachen mir entgegen. [...]

15.15 geht's los. Marcel Ulmann begrüsst die Anwesenden. [...] Für die nächsten zwanzig Minuten spielen eigens für diesen Nachmittag engagierte Punker, die 'Troppo New Wave Band', eigenwillige Melodien. [...] Mitten in diesem Platz(spitz)konzert platzt der schönste Platzregen auf die Menschenmenge von etwa zweihundert Leuten. [...]

15.40: meine Ansprache: Ich zeige darin kurz die Geschichte des CSD, ziehe einen Vergleich mit heute und streife das Malaise von uns organisierten Homos: [...] An Ideen fehlt es nicht unbedingt, aber an Ausführenden. - Wahrscheinlich aber sind nicht die richtigen Ohren anwesend, um diesen Vorwurf zu hören. Regula Schnurrenberger, HFG, tönt die Unterdrückung der Frauen in unseren eigenen Reihen an. [...] Entweder arbeiten wir mit den Frauen zusammen und gewinnen dadurch an Tragkraft, oder wir lassen sie links oder rechts liegen und verlieren dabei an Boden überall dort, wo es um mehr als nur die direkte Verwirklichung unserer Rechte geht, sondern vielmehr um den generellen Gewinn von Freiheitsraum. [...]

16 Uhr: Martin Fröhlich von der HAZ beleuchtet zunächst einige Konsequenzen der Telearena (Entlassungen, Suizid) und stellt dann den Bezug zur Notwendigkeit unserer Organisationen und [...] des Kampfes gegen bestehende Diskriminierungen her. Er fordert das Publikum auf, die Petition [...] 'hier und jetzt' zu unterschreiben; der Wunsch wird denn auch zahlreich beherzigt.

[...] Hat sich der Anlass gelohnt? Für wen? [...] Für die HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich) und HFG (Homosexuelle Frauengruppe Zürich) war es sicher ein Beweis, dass sich Zusammenarbeit lohnt. Für die SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen) und alle von uns [...] ist dieses Auftreten in der Öffentlichkeit bestimmt ein Durchbruch und ein persönliches Erfolgserlebnis."

Die mutige erste Frau, die mit den Männern zusammen in die Öffentlichkeit trat und dabei ein umfassenderes Ziel weit hinter der Abschaffung des Homo-Registers als Vision im Auge hatte, nämlich "den generellen Freiheitsraum" einer offenen Gesamtgesellschaft, diese Frau war Regula Schnurrenberger (1953-2005),

"Historikerin und Archivarin der Frauen- und Lesbengeschichte, engagiert in der Frauen- und Lesbenbewegung, in feministischer Wissenschaft und Lesbenforschung",

wie es in einem Text zu ihrem viel zu frühen Tod hiess. Sie hatte etliche Bücher und Broschüren veröffentlicht und war Mitarbeiterin der Zeitschriften Lesbenfront, FrauOhneHerz und die. Sie gehörte auch zu den ersten Frauen, die sich aktiv und massgebend an der Ausstellung "unverschämt - Lesben und Schwule gestern und heute" (Zürich, Winter 2002/2003) beteiligt hatten.

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Ernst Ostertag, Mai 2007

Quellenverweise
1

Jürg Wehrli, hey Nr. 9/1978, Seite 4 ff., "Kein 1. August-Fest für uns!"