1980

Abgeschafft!

Mitteilung im Amtsblatt

Plötzlich und völlig unerwartet erschien im amtlichen Kantonsblatt Basel-Stadt Nr. 47 vom 18. Juni 1980 ein unscheinbarer Bericht "Aus den Regierungsratsverhandlungen vom 17. Juni 1980". Was im Amtsblatt publiziert und so der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, sind Beschlüsse mit gesetzlicher Gültigkeit. Die Mitteilung lautete:

"Aufhebung des Homo-Registers

Das bestehende Homosexuellenregister beim Basler Fahndungsdienst ist im Oktober 1979 vernichtet [...] worden. [...]

Im Kanton Basel-Stadt bestanden ursprünglich drei verschiedene Homosexuellenregister. Das Register des ehemaligen Sittendezernates der Staatsanwaltschaft ist im Jahre 1968 aufgehoben worden. Seit 1959 führte der Fahndungsdienst [...] ein eigenes Homo-Register. Zudem werden vom Kriminalkommissariat, analog zu allen anderen Rechtsbrechern von einiger Bedeutung, auch straffällige Homosexuelle registriert.

Bereits im Januar 1979 erteilte der Vorsteher des Polizei- und Militärdepartementes den zuständigen Stellen den Auftrag, zu untersuchen, ob sich die Führung eines Homosexuellenregisters als zweckmässig erwiesen habe und [...] notwendig sei. Diese Untersuchungen ergaben, dass die Führung des Registers beim Fahndungsdienst im Falle schwerer Delikte [...] von keinem praktischen Nutzen gewesen ist."

Reaktionen und Kommentare:

Stephan Miescher in "Männergeschichten", dem Buch zur gleichnamigen Ausstellung in Basel 1988:1

"1975 beteuerten Vertreter der Basler Polizei vor HABS-Mitgliedern mehrmals, es würden keine Register geführt."

Sein Kommentar zur plötzlichen Erklärung des Regierungsrates vom 17.6.80:2

"Es scheint, als ob die Basler Regierung dem schwulen Grossanlass den Wind aus den Segeln nehmen wollte."

Die HABS (Homosexuelle Arbeitsgruppen Basel) reagierte sofort mit einem Pressecommuniqué:

"Die HABS [...] hat heute durch die Presse erfahren, dass seit dem Oktober 1979 die Basler Homo-Register nicht mehr existieren sollen. Trotz verschiedener Anfragen von uns wurden wir nie direkt darüber benachrichtigt.

Wir fragen: Warum bestätigte am 29.5.1980 der Basler Regierungsrat und Polizeidirektor Karl Schnyder an der SP-Delegiertenversammlung vor 200 Personen die Existenz dreier Register? Seine Aussage steht im Widerspruch zur heute veröffentlichten Regierungsratserklärung.

Wir begrüssen eine allfällige Abschaffung der Homo-Register, werden aber unsere Petition trotzdem weiterführen, da unsere Forderungen nur teilweise erfüllt worden sind. Wir verlangen damit erstens eine Klärung der widersprüchlichen Mitteilungen, zweitens, dass nicht nur die Register vernichtet werden, sondern auch jeglicher Vermerk über die Homosexualität bei etwelchen Strafdelikten verschwindet, ausgenommen allenfalls eine Registrierung homosexueller Sexualstraftäter.

Die traditionelle Eidgenössische Schwulen- und Lesbendemo vom 21. Juni 1980 findet mit folgenden Forderungen statt:

  • Abschaffung aller Homo-Register in der Schweiz
  • Gleiches Schutzalter für alle, d.h. ersatzlose Streichung des Art. 194 StGB
  • Gegen Berufsverbot für Schwule und Lesben [...]"

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Ernst Ostertag, Juni 2006

Quellenverweise
1

Stephan Miescher, Männergeschichten, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Basel 1988, Anmerkung 24, Seite 138

2

Stephan Miescher, Männergeschichten, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Basel 1988, Seite 120