1981

Schwierige Vorgeschichte

Behördlicher Mäanderkurs

Den Titel "Méandres de la bureaucratie Lausannoise" setzte La Suisse über einen Artikel von Janka Kaempfer, Ausgabe vom 8. Juni 1981. Darin wurde die Vorgeschichte beschrieben. Anlass dazu gab ein "offener Brief" der CHOSE/HACH (Dachorganisation der schweizerischen Homosexuellen Arbeitsgruppen). Das Schreiben war an die Behörden von Lausanne gerichtet1 und erschien in diversen Zeitungen der Romandie.2

Laut Janka Kaempfer erhielt die GLH (Groupe de libération homosexuelle, Lausanne) von der Polizeidirektion als Antwort auf ihr Gesuch vom 18. Januar den Hinweis, dass der gewünschte 27. Juni bereits für die traditionelle "Fête de Lausanne" reserviert sei. Darauf schlug die GLH den 20. Juni vor und plädierte für die Bewilligung einer Umzugsroute im Stadtzentrum.3

Die Antwort der Stadtregierung begann mit der skeptischen Bemerkung, da stelle sich zuerst einmal die Frage, ob es zweckmässig sei, eine derartige Zusammenkunft in Lausanne für dieses Jahr vorzusehen.4

Dann wies die Regierung das Gesuch für den 20. Juni zurück mit der Begründung, es finde an diesem Tag das Eidgenössische Musikfest statt - dabei könnte Ihre gleichzeitige Manifestation von den Teilnehmern des Musikfests als Provokation empfunden werden.5

Auch die vorgeschlagene Route wurde nicht akzeptiert, weil das zu Konflikten mit den Festteilnehmern und deren Umzug durch das Stadtzentrum führen könnte.

Kommentar in La Suisse: Der Festumzug ist für den Morgen angesetzt, während die Homosexuellen ihren Demozug am Nachmittag durchführen wollen. Man wird den leisen Verdacht nicht los, die Lausanner Regierung, irritiert von einem Gesuch, das absolut legitim ist, bemühe sich nun darum, die Organisatoren zu entmutigen.6

Nachdem die Stadt andere Daten offeriert hatte, ging die GLH schliesslich darauf ein und wählte den 4. Juli, beharrte aber auf der zentralen Route, da an diesem Tag keine andere Veranstaltung die gewünschten Strassenzüge beanspruche. Das jedoch wollte die Regierung keineswegs und schlug Routen durch wenig frequentierte Nebenstrassen vor. Es kam zu einem längeren Hin und Her, die Stadt feilschte um jedes Detail.

Nun trat die CHOSE/HACH auf den Plan und sandte den erwähnten "offenen Brief" vom 6. Juni 1981 an die Medien, der zugleich Rekurs an die übergeordnete kantonale Behörde, den Conseil d'Etat du Canton de Vaud, war.

Kommentar von Janka Kaempfer in La Suisse:

"Je weiter die Affäre gedieh, desto verworrener wurde sie. Wer den aufgehäuften Papierkram dieser fünf Monate liest, wird von Schwindel erfasst. Werden die Homosexuellen, von den Netzen der Bürokratie verwirrt, am Ende das erreichen, wonach sie gefragt hatten? Immerhin, ihr Anliegen ist vollkommen legal: die Forderungen ihrer Minorität an einem Umzug durch die Stadtmitte bekannt zu machen, an einem Tag, bevor die meisten Bewohner in den Ferien abwesend sind."7

Der Rekurs wurde abgelehnt, aber man fand sich zu einem im wörtlichen Sinne gangbaren Kompromiss, einer Route, von der die Stadt erklärte, sie werde von nun an die Normalstrecke für Demonstrationen sein, eine andere würde nicht mehr bewilligt.

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Ernst Ostertag, Juni 2007

Quellenverweise
1

datiert vom 6. Juni 1981

2

Zitate in Originalsprache: Übertragung ins Deutsche von Ernst Ostertag. Sämtliche verwendeten Unterlagen befinden sich im Schwulenarchiv Schweiz (sas), Zürich

Anmerkungen
3

Original: "un parcours qui suit les grand axes de circulation de la ville"

4

Original: "la Municipalité de Lausanne se demande tout d'abord 's'il est bien opportun de prévoir une réunion de ce genre cette année à Lausanne"

5

Original: "votre manifestation pourrait être ressentie comme une provocation par les participants à la Fête fédérale de musique"

6

Original: "que la Municipalité de Lausanne, embarrassée devant une demande qu'elle ne peut que considérer comme légitime, s'évertue à decourager les organisateurs"

7

Original: "Plus l'affaire de la manif progresse, plus elle s'embrouille. A lire la paperasse accumulée depuis cinq mois [...] on est pris de vertige. Emmêlés dans les filets de la bureaucratie, les homosexuels finiront-ils par obtenir ce qu'ils demandent? Leur souhait n'a pourtant rien que de légitime: faire connaître les revendications du groupe en défilant au milieu de la ville, un jour où la plupart des habitants ne l'on pas encore quittée pour les vacances."