ab 1972
HAB Bern
Eine neue Arbeitsgruppe
Für Bern als Bundesstadt waren Schwule eine Bevölkerungsgruppe, die besonders im Auge behalten werden musste. Die Tatsache, dass schwule Zirkel entstehen und auch Bundesbeamte aller Stufen sich homosexuell betätigen könnten, war stets gegeben und wurde als Gefahr wahrgenommen, gefühlsmässig als etwas, wofür man sich schämt, juristisch als Anfälligkeit für Erpressung und Spionage, im konkreten Skandalfall als die Allgemeinheit schädigendes Geschehen.
Homosexualität durfte es möglichst nicht geben. Eine Tatsache, die zumindest so lange galt, als eine Mehrheit des Volkes solche Menschen nicht akzeptierte und ihnen gesetzliche Gleichberechtigung verweigerte. Denn so lange blieben diese Menschen, gemessen an den übrigen, in höherem Masse Risikofälle.
Lange Zeit bewegten sich Berns gewöhnliche Schwule im Untergrund, wo sie polizeilich diskret aber effizient überwacht wurden. Und ebenso diskret aber hart schlugen die Ordnungshüter zu, wenn eine Szene sich über ein knapp bemessenes Mass zu entwickeln begann. Lange Zeit auch lebten Berns schwule Patrizier in ihren privaten Zirkeln fast so, als gäbe es das Ancien Régime noch mit seiner Freiheit höherer Stände gegenüber jenen, die sie sich als Domestiken nahmen.
Dann entstanden Gruppen, die sich ab 1973 öffentlich sichtbar machten und für ihre Rechte einzutreten begannen. Aber noch fast zwanzig Jahre lang observierte sie die (Kantons)-Polizei weiter. Sie führte das detaillierteste Homoregister der Schweiz sogar mehr als zehn Jahre länger als dies in anderen grossen Städten des Landes der Fall war.
Ernst Ostertag, Oktober 2006