CSD 1983, Mängel

Ohne Einheit, wenig Leute

Jede HA-Gruppe hatte das Motto "Gewalt gegen Schwule und Lesben - Schwule und Lesben gegen Gewalt" auf ihre Weise ausgelegt. Die Zürcher von der HAZ wollten die eigenen Reihen aufrütteln und setzten auf ihr Transparent "Mir mached müedi Manne mobil". Während die HABS mit "Arbeitsplatz statt Schwulenhatz" auf Gewalt im Job hinwies, "thematisierte Bern die Gewalt im homosexuellen Milieu".1

Diese Divergenz hatte ihren Ursprung in "Querelen im OK". Marco Lehre fuhr dazu fort:

"Die HALU wollte möglichst grossen Einfluss auf das Motto der Veranstaltung nehmen. Sie schlugen vor: 'Es hat Platz für uns - nehmen wir ihn!' und setzten die anderen PartnerInnen gleichzeitig damit unter Druck, die Organisation der Demo abzulehnen, wenn diese auf ihrem Motto der Gewalt gegen Schwule und Lesben beharrten. Es fand sich dann ein Kompromiss. Das Thema der Gewalt wurde akzeptiert, aber den einzelnen Organisationen liess man eine grosse Freiheit in der Interpretation [...]. Logische Folge dieses Entscheides war, dass in der Vorwoche der Kundgebung jede einzelne Organisation zeitgleich zu einer eigenen Pressekonferenz in ihrer Stadt einlud."

Zugleich, die Zürcher sprachen es mit "müedi Manne" an, schien das Interesse an öffentlichen Manifestationen innerhalb der Community zu erlahmen:2

"Der HAB-Vorstand [Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern] fand sich [...] zu einem Aufruf an all jene gezwungen, die 'keinen Sinn in der Demo sehen, die es blöd finden, als Schwule durch die Strassen zu ziehen und sich die Füsse wund zu laufen'. [...] Die Meinung der Berner hatte 1983 ein grosses Gewicht. Das politische schwullesbische Zentrum der Schweiz lag damals in Bern. Die HAB war die einzige Organisation, die ein regelmässiges Infoblatt herausgab. Auch bezüglich der Finanzen war Bern am potentesten."

Das galt für die in der HACH zusammengeschlossenen HA-Gruppierungen. Es galt aber zu jenem Zeitpunkt nicht für die SOH (Schweizerische Organisation der Homophilen) mit ihren politischen Aktionen, mit der Jugendgruppe Spot25, der Zeitschrift hey, ihrer Anzahl von Mitgliedern und der darauf gründenden soliden finanziellen Basis.

Unter diesen Umständen war es kaum verwunderlich, dass die Zahl der Beteiligten und Besucher auf weniger als die Hälfte zurückfiel, gemessen an den 1000 Leuten vor zwei Jahren in Lausanne. Diese geringe Beteiligung und:3

"das enttäuschende Medienecho führten zu Frust. Während das Luzerner CVP-Blatt Vaterland es schaffte, den Anlass vollständig zu ignorieren, gab sich das liberale Luzerner Tagblatt mit einer Agenturmeldung zufrieden. Einzig die unabhängigen Luzerner Neuste Nachrichten LNN würdigten die Demo mit fast zwei Seiten an redaktionellem Inhalt. Über 1000 Teilnehmende wurden erwartet, 500 (LNN) oder 300 (Tagblatt) seien gekommen. [...] Die HAB schlugen gar die Abschaffung der Demos und deren Ersetzung durch 'schwule Tage' mit Workshops und öffentlichen Podien vor."

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Ernst Ostertag, Juni 2007

Quellenverweise
1

Marco Lehre, Zusammenfassung des CSD Luzern 1983

2

Marco Lehre, Zusammenfassung des CSD Luzern 1983

3

Marco Lehre, Zusammenfassung des CSD Luzern 1983