1987/1988
Boldernhaus: HuK-Treffen
Eine eigene Kirche gründen?
Im Oktober 1988 fand im Boldernhaus an der Voltastrasse in Zürich ein HuK-Treffen von "25 Männern zwischen 20 und 70 Jahren" statt, wie der eingeladene Chefredaktor, Pfr. Christoph Stückelberger, im Zürcher Kirchenbote 23/1988 schilderte. Das Thema hiess:
"Sollen wir uns in einer Kirche für Schwule und Lesben oder in den bestehenden Kirchen engagieren?"
Stückelberger schrieb zum Treffen (Kirchenbote) unter anderem:
"Die Meinungen [...] waren sehr geteilt. Für das Modell MCC4 sprach sich etwa die Hälfte aus. Ein Katholik wollte sich nicht länger im Kampf gegen seine Kirche aufreiben, sondern sich konstruktiv für etwas einsetzen. Ein anderer wurde [...] aus seiner evangelischen Freikirche ausgeschlossen und fragt: 'Wo soll ich nun hin?' Ein dritter hoffte, in einer homosexuellen Kirche Kraft für die Arbeit in der reformierten Landeskirche zu erhalten. [...]
Für die meisten stand die persönliche Frage im Vordergrund, ob sie genügend Energie hätten, sich als Stachel in der Kirche einzusetzen, oder ob sich dieser Einsatz nicht lohne. Die Gegner einer eigenen Kirche erzählten von ermutigenden Erfahrungen mit Kirchenvertretern. [...] Für andere ist die MCC eine Flucht aus der Wirklichkeit, indem man nur noch unter Gleichgesinnten ist. 'Ein Schwuler hat ein Anrecht auf einen Stuhl in der Kirche.' [...]"
Wichtig war offensichtlich die Aussprache, nicht eine Entscheidung. Die HuK selbst bedeutete wohl für viele eine Art Kirche, auf jeden Fall den Ort, an dem sich christlich orientierte Homosexuelle einbringen und über religiöse Dinge offen miteinander sprechen konnten.
Einen HuK-Abend im Boldernhaus besuchte 1993 auch der Zürcher Kirchenratspräsident Ernst Meili, später ebenso sein Nachfolger, Ruedi Reich.1
Die Mitglieder der HuK wollten aber keinesfalls in den Augen der anderen Schwulen als "Betschwestern" dastehen.
"Wir wollten ein ernst zu nehmender Teil der Schwulenbewegung sein",
so Matthias Haupt,2
"deshalb waren wir nicht nur im kirchlichen Boldernhaus [...], sondern beschlossen, auch [...] das Begegnungszentrum (Centro) der HAZ regelmässig zu benützen. Die von uns dort organisierten Sonntags-Znacht wurden für eine gewisse Zeit zu eigentlichen Rennern. [...]"
In der Festschrift 20 Jahre HuK Zürich von 2002 setzte er den Titel "The Late Golden 80's" und berichtete:3
"Erstmals feierten die Zürcher am Abend des 25. Dezember 1987 im Centro Weihnachten mit Liedern, Texten und einem feinen Essen. [...] Gegen innen und aussen bewegte sich viel, es herrschte eine belebende Aufbruchstimmung. Die beiden Standbeine der HuK wurden gleichermassen kräftig: Selbsthilfe und Emanzipation. [...]"
Ernst Ostertag, Oktober 2007
Quellenverweise
- 1
In einem Mail an Ernst Ostertag von Matthias Haupt, 12. Oktober 2007
- 2
In einem Mail an Ernst Ostertag von Matthias Haupt, 12. Oktober 2007
- 3
Festschrift 20 Jahre HuK Zürich, 1982 bis 2002, Seite 12
Anmerkungen
- 4
Metropolitan Community Church, also Kirche für Homosexuelle