1995
Pressespiegel
Postives und Negatives
Die Zeitschrift "Offene Kirche, Ein ökumenisches Forum" vom März 1995 war dem Thema gewidmet:
"Eine Liebe wie jede andere, Homosexualität in Kirche und Gesellschaft".1
Das Editorial stammte von Pfr. Anselm Burr, Offene Kirchgemeinde St. Jakob, Zürich-Aussersihl und von Pfr. Rosemarie Knüsel, Zürich-Seebach:2
"[...] Im Januar 1995 wurde der französische Bischof, Jacques Gaillot, vom Vatikan abgesetzt, unter anderem, weil er seine Solidarität für homosexuelle Menschen bezeugte. Im Januar 1995 wurde in Zürich der Seelsorger von der (röm. kath.) Pfarrei Bruder Klaus entlassen, weil er 'öffentlich und beständig' mit seinem Freund zusammen lebt.
Es gibt sie noch immer: Die Angriffe auf Schwule und Lesben von Seiten der Kirche und ihrer Vertreter. Ein Vorstoss der evangelikalen Fraktion der Zürcher Synode hatte sie einmal mehr zu 'armen Kranken' gestempelt, denen man helfen müsse. Sie selbst seien 'an sich' ja von Gott geliebt. Ich gab meiner Empörung über eine so bigotte Haltung öffentlich Ausdruck: Im Schaukasten vor unserem Kirchgemeindehaus St. Jakob. Am Tag darauf erhielt ich von meiner Kollegin das 'Angebot': Wenn ich freiwillig auf den Aushang verzichte, ziehe sie ihre Klage bei der Kirchenpflege zurück.
Ich habe nicht verzichtet. Und das war gut so. Wenige Tage später nämlich suchte mich ein junger Mann auf, veranlasst durch diesen Aushang. Unter stark christlicher Prägung war er aufgewachsen und es war das erste Mal, dass er jemandem von seinem Schwulsein erzählte.
Wir alle brauchen unser Coming-out, ob schwul, lesbisch oder hetero. Wir alle brauchen den Mut, zu uns zu stehen, zu unseren Stärken und Schwächen, zu unseren Wunden und Lüsten. Deshalb ist es uns ein Anliegen, dass betroffene Männer und Frauen in dieser Ausgabe von 'Offene Kirche' zu Worte kommen. [...]"
Trotzdem gab es selbst von "aufgeschlossenen" Kreisen her immer wieder Rückschläge und Enttäuschungen zu verkraften. Ein Brief der HuK Schweiz3 an das Reformierte Forum wies auf die Nummern 32, 33 und 34 dieser Zeitschrift hin, worin das Thema Homosexualität den Schwerpunkt einer Debatte bildete. Passagen aus diesem Brief:
"Es ist schlicht fast zum Verzweifeln, [...] Gegen LeserInnenbriefe können und wollen wir nicht viel sagen, ausser, dass sie sehr schmerzen und häufig von einer klotzigen Unkenntnis zeugen. - Doch die Frage bleibt im Raum, weshalb gerade ChristInnen sich gezwungen fühlen, sich in das Leben, die Liebe und die Beziehungen anderer Mitmenschen einmischen zu müssen.
[...] Was mussten wir von Ihrem Team erleben - obwohl aufgeschlossen und, so wähnten wir, uns gegenüber menschenfreundlich und zugewandt: Nun lässt sich doch Thomas Schaufelberger von den Basileia-Leuten4 verführen und ihre Ideologie auf unserem seit 'Jahrhunderten geschundenen Buckel' verbreiten.
Als Krönung lassen Sie den Werbeprospekt einer sich als 'Gemeinde der Zukunft - Zukunft der Gemeinde' bezeichnenden Organisation beilegen, die auf der zweiten Seite ein Seelsorge-Forum 'Homosexualität, Süchte, Sex' anbietet. Ständig dasselbe Strickmuster.
Wann dürfen wir von Ihrem Team [...] Taten erwarten, zum Beispiel, dass Sie die Beilage dieses Prospektes verweigert hätten?
[...] Wir haben [...] diesen Brief geschrieben in der Hoffnung, dass mit der Zeit von Ihrer Seite ein klärendes Wort erscheint."
Ernst Ostertag, Oktober 2007
Quellenverweise
- 1
"Offene Kirche, Ein ökumenisches Forum", Nr. 1, März 1995
- 2
"Offene Kirche, Ein ökumenisches Forum", Nr. 1, März 1995, zur Verfügung gestellt von Pfr. Rosemarie Knüsel
- 3
datiert 26. August 1995
Anmerkungen
- 4
Basileia nannte sich eine dynamische fundamentalistische Gemeinschaft junger Christen, die u.a. mit "erfolgreichen Beispielen" aggressiv propagierten, dass sie Homosexuelle zu "wiedergeborenen, gesunden" Hetero-Christen verändern und bekehren können