1988

Zwei Leserbriefe

… zur Situation

Am 3. Mai 1988 schrieb Matthias Haupt, Zürich, im Namen des Vorstandes der HuK Schweiz einen Brief an die Redaktion Reformiertes Forum mit der Bitte, den angehängten Leserbrief abzudrucken. Zur weiteren Information waren Broschüren der HuK beigelegt.1

Matthias Haupt war Vorstandsmitglied sowohl der HuK Schweiz als auch der Regionalgruppe Zürich. Die Mitgliederversammlung 1987 in Spiez, BE, hatte die Regionalisierung der HuK Schweiz beschlossen, worauf sich die HuK Zürich zum eigenständigen Verein gemacht hatte. Von 1984-1990 und 1994-1997 amtete Matthias Haupt als Sekretär beziehungsweise Geschäftsführer der HuK Zürich.

Sein Leserbrief:

"Sexualethik: Anfragen

[...] Wir empfinden es, wenn die paar wenigen berühmt-berüchtigten Bibelstellen zum Thema aus dem Gesamtrahmen der befreienden Erlösungsbotschaft der Bibel und dem umfassenden Liebesgebot Jesu herausgerissen werden. Manchmal schmerzt es uns, manchmal macht es uns wütend, wenn wir zum x-ten Mal feststellen müssen, dass alle, wirklich alle neuen Erkenntnisse zur Homosexualität und sämtliche fundierten Erklärungen anerkannter TheologInnen nicht wahrgenommen werden wollen.

[...] Kennen diese Rechthaber persönlich schwule Männer, lesbische Frauen? Haben sie eine Ahnung von den oft jahrelangen gewaltigen inneren Kämpfen und den endlosen Gebeten dieser Menschen, weil ihnen Gesellschaft und Kirche lange genug eingehämmert haben, was für schmutzige Sünder sie seien? [...]

Ist es bekannt, dass sich Homosexuelle, auch wenn sie wollten, nicht in heterosexuell Empfindende verzaubern, therapieren oder 'gesundbeten' lassen können, und dass die gerne herumgebotenen 'Heilungsgeschichten' selten und oft nur vorübergehend sind und niemals für alle Homosexuellen zutreffen können? [...]

In der Arbeitsgruppe 'Homosexuelle und Kirche' treffen sich Männer und Frauen, die schwul oder lesbisch sind und die es geschafft haben, trotz ihrer Erziehung, trotz der Gesellschaft und der Kirchen zu ihrer Homosexualität zu stehen und sie sogar zu leben! Viele von ihnen sind kirchliche MitarbeiterInnen oder stehen sonst aktiv im Leben einer Kirchgemeinde. Anderen ist (leider begreiflicherweise) die Freude an der Kirche, nicht aber am christlichen Glauben vergangen.

Wir haben nicht im Sinn, an dieser Stelle um unsere Tolerierung zu flehen, sondern zu fordern, dass wir als Christen, als Schwule und Lesben, einfach als ganze Menschen endlich ernst genommen werden."

Über den Entwurf zu einem weiteren Leserbrief für eine vermutlich schwule Zeitschrift, datiert mit 18. Oktober 1988, setzte Matthias Haupt den Titel "Schwul und Christ - wir sind beides!" , was am CSD (Christopher Street Day) von 1989 in Zürich zum Slogan der HuK wurde.

Aus seinem Leserbrief-Entwurf:

" 'Homosexuelle und Kirche', ist das eigentlich nicht ein verlängerter Arm der Kirche, um die rosa Schäfchen zu sammeln und gar 'auf den rechten Weg' zurückzuführen, mag sich der eine oder andere fragen. Nein, viel eher sind wir eine Gruppe von 'kirchengeschädigten' Schwulen und Lesben, die oft 'dank' ihres christlichen Elternhauses und dem Engagement in der Kirche ihr Schwulsein bis fast zum Geht-nicht-mehr verdrängt haben. Und wenn einen das Coming-out doch endlich einholt, will deswegen noch lange nicht jeder seinen ganzen christlichen Hintergrund und seine Glaubenserfahrungen über den Haufen werfen. Wir sind überzeugt, dass das auch nicht nötig ist! Wir wollen zeigen, dass das als Christ möglich ist.

Allerdings, [...] die Ansicht, beispielsweise der katholischen Kirche oder der Heilsarmee, homosexuelle Veranlagung an sich sei nicht sündhaft, sondern nur homosexuelle Handlungen, weisen wir entschieden zurück! [...]

Wir verlangen, dass wir ebenso selbstverständlich integriert sind wie andere Menschen auch. Wir brauchen die Zusage, dass wir auch als offen homosexuell lebende Menschen unsere Berufe und Anstellungen, gerade auch in den Kirchen, nicht verlieren. Zu diesem Zweck suchen wir Kontakte zu verschiedenen Pfarrern und laden sie in unsere Gruppen ein, beteiligen uns an Leserdiskussionen in kirchlichen und anderen Zeitschriften und arbeiten in den Teams von Boldern (ZH) und Leuenberg (BL) mit, welche die jeweiligen Schwulen- und Lesbentagungen durchführen. Mit den verschiedenen schweizerischen und internationalen Homosexuellenvereinigungen und der Aids-Hilfe Schweiz stehen wir in gutem Kontakt."

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Ernst Ostertag, Oktober 2007

Quellenverweise
1

In einem Gespräch mit Ernst Ostertag am 4. Juli 2007 bestätigte Matthias Haupt, dieser Brief sei angenommen und in der Zeitschrift veröffentlicht worden