2001

Pride von Sion

Ein nationales Treffen

Die Ankündigung einer Lesbian & Gay Pride in Sion 2001, dem Hauptort des katholischen Wallis und Bischofsstadt zugleich, wirkte wie der sprichwörtliche Stich ins Wespennest. Sofort sammelten sich vehemente Gegner und schrien bitterböse Beschimpfungen in alle Himmelsrichtungen. Sie gingen in die Medien damit und setzten vollkommen unsachliche "Argumente" hinzu.

Ihre Kampagne wurde mitgetragen und verstärkt durch konservativ-katholische Kreise und Gruppierungen. Der Bischof selber setzte sich an die Spitze mit seiner Behauptung, das Wallis werde von einem Ansturm von Aids-Infizierten bedroht.

All das bewies die absolute Notwendigkeit eines dezidierten Einsatzes zur Aufklärung direkt am Ort dieser finsteren Vorurteile. Es gab ja anders Denkende und vor allem gab es die Mutigen, die trotzdem am Plan der Sion-Pride festhielten und an der Realisierung arbeiteten. Sie galt es zu unterstützen. Aufrufe ergingen durch sämtliche schwul-lesbischen Organisationen und Gruppen des Landes: Am 7./8. Juli auf nach Sion, jetzt erst recht!

Jene denkwürdigen Tage und Wochen um diese Pride waren geprägt vom ebenso mutigen wie beinahe übermenschlichen Einsatz einer einzelnen Frau, Marianne Bruchez (man nannte sie La Jeanne d’Arc de Sion). Ihre Standhaftigkeit im Glauben an das Recht löste nebst den Tiraden des Bischofs und vielen seiner Schafe eine enorme Welle von Solidarität aus, die Lesben und Schwule des ganzen Landes erfasste. Und so fuhren sie denn vom Bodensee bis zum Genfersee via Lausanne in Extrazügen und Autokolonnen nach Sion, wo es schliesslich zur Verbrüderung mit der Bevölkerung kam und die Pride sich zum allgemeinen, frohen und friedlichen Strassenfest wandelte. Man blieb beisammen, alt und jung, Einwohner und Pride-Teilnehmer, niemand ging nach Hause bis Mitternacht und lang darüber hinaus.

Ernst Ostertag und Jean-Pierre Sigrist Mai 2008