1974

Warum sich beteiligen?

Gründe der HAZ

Die HAZ suchte nach Gründen, warum sie sich an diesen Tagungen weiter beteiligen sollte und sie veröffentlichte ihre Gründe einer trotzdem richtigen und wichtigen Beteiligung im HAZinfo Nr. 9:1

"Haben wir Homosexuellen es nötig, uns mit Vertretern der Kirchen an einen Tisch zu setzen? Sollen wir mit Organisationen zusammenarbeiten, die in der Vergangenheit an der Verteufelung der Sexualität und speziell mit antischwuler Propaganda an vorderster Front mitbeteiligt waren, und aus deren Kreisen Homosexualität auch heute noch mit heftigster Ablehnung begegnet wird? Die prinzipielle Überlegung ist notwendig: Wir meinen, gerade weil die Kirchen zumindest die Argumente zur Unterdrückung der Homosexuellen geliefert haben, dürfen sie nicht so einfach aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Kommt hinzu, dass das Wort der Kirche für weite Teile der Bevölkerung auch heute noch von Bedeutung ist. Was also versprachen wir uns von einer Zusammenarbeit mit den Kirchen?

Das kirchliche 'Tabu Homosexualität' wurde einmal mehr durchbrochen, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen, weil Institutionen beider Kirchen sich öffentlich - nicht hinter verschlossenen Türen - mit dem Thema beschäftigten, zum anderen, weil die Homosexuellen selbst - ohne Tarnkappe und Visier - zum akzeptierten Gesprächspartner wurden, unseres Wissens zum ersten Mal in der Schweiz. Das Wetter ist momentan freundlich; das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch wieder frostige Tage kommen können. [...]

Aufklärung und Information [...] Besonders wichtig ist es, Vorurteile bei Erwachsenenbildnern, Seelsorgern, Lehrern, Sozialarbeitern usw. abzubauen. Bei einem Personenkreis also, wo Informationen von Berufs wegen weitergegeben werden und die persönliche Einstellung sich auf weitere Kreise überträgt. Gerade Leute aus solchen 'sozialen Berufen' hofften wir auf Boldern anzusprechen.

Publizität für die HAZ Man kann an einer einzigen Zusammenkunft nicht alle Vorurteile abbauen und schon gar nicht auf alle [...] Fragen befriedigend eingehen. Daher ist es wichtig, dass die HAZ ein Begriff wird als kompetenter und gesprächsbereiter Partner, an den man sich jederzeit wenden kann. Aber auch unter den Homosexuellen selbst müssen wir noch bekannter werden [...].

Interne Schulung [...] Die Konfrontation mit Fragen und Argumenten an der Tagung selbst und nicht zuletzt auch die gemachten Fehler geben uns die Möglichkeit, die Technik unserer Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern. Die Teilnahme an einer öffentlichen Tagung zum Thema Homosexualität trägt auch zur Emanzipation des einzelnen HAZ-Mitglieds bei, denn die Selbstbefreiung wird erst Wirklichkeit im Auftreten nach aussen. [...]"

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Ernst Ostertag, November 2006

Quellenverweise
1

HAZinfo, Nr. 9/1974, Seite 7 und 8