1983

Gründung

Ein neues Lehrerbild

Am 6. März 1983 kam es zur Gründung eines zunächst bescheidenen Vereins, der sich aber ein klares Programm gab und wachsen wollte. Von Anfang an war er in der Romandie und in der deutschsprachigen Schweiz aktiv, wobei der erste Anstoss aus Genf erfolgte: durch Jean-Pierre Sigrist (geb. 1948), Mitbegründer von Dialogai.

Am 1. Mai 1983 gab sich die erste Mitgliederversammlung rechtmässige Vereinsstatuten. Sitz waren zunächst Bern und Genf. Auch die italienisch sprechenden Teile des Landes wurden einbezogen: OSIEO, Organizzazione svizzera degli insegnanti ed educatori/trici omosessuali, hiess es am Anfang der Statuten unter dem deutschen und dem französischen Namen. Der Zweck wurde mit folgenden Sätzen umrissen:1

"Der Verein setzt sich zum Ziel, die Interessen seiner Mitglieder zu wahren und u.a. gegen jede Form von Benachteiligung männlicher und weiblicher homosexueller Erzieher/innen und Lehrer/innen namentlich am Arbeitsplatz zu kämpfen und sich für eine sachliche Aufklärung über Homosexualität im Erziehungsbereich einzusetzen."

Zum ersten Präsidenten wählte die Versammlung den Initiator, Jean-Pierre Sigrist, Genf. Vizepräsident wurde Erwin Ott, Basel.

Jean-Pierre Sigrist holte Inspiration aus Berlin, aber auch bei Jean-Jacques Rousseau und Voltaire, den Grossen der Aufklärung. Dazu Erasmus Walser:

"Am Beginn sah unser Gründungspräsident, Jean-Pierre, wie die Berliner Schwulenbewegung in den 70er Jahren die besonderen Interessen schwuler Lehrer formuliert hatte. [...] Offen schwul und Lehrer sein, dieser Widerspruch galt als 'Mettre le loup dans la bergerie'4 [...]"2

"Alle Gründerpapiere von Jean-Pierre atmen neben dem Geist der 'Achtundsechziger' [...] auch jenen Rousseaus im Sinne geistiger Erziehungsradikalität (Entwicklung zum Selbst) und Voltaires Radikalität zur bedingungslosen Gedankenfreiheit [...]. Schwule Lehrer sollten unter Wahrung ihrer Privat- und Intimsphäre mutig lernen, am Arbeitsort als Männer liebende und angstlose Persönlichkeiten aufzutreten. Nur Angstfreiheit - das Wortspiel mit OSEEH, lautlich gleich wie französisch 'oser' (wagen), trifft ins Herz - nur Angstfreiheit kann erlauben, ein neues, unverklemmtes Bild vom Männer liebenden Mann, der auch noch Lehrer ist, zu leben. [...]

Jean-Pierre sieht wertvolle politische Allianzen eines aufklärerischen Schulwiderstandes gerade bei bewusst schwulen Lehrern, eines Widerstandes gegen den aufkommenden 'Rassismus' verschiedenster Herkunft. Der Erziehungsauftrag, den Geist der Schüler zu öffnen und Fehlhaltungen zu korrigieren, sei sonst verpasst. Nur so gebe es keinen Grund für Eltern und Schulbehörden, schwule Lehrer blosszustellen, und für die Kinder, schwule Lehrer nicht zu achten."3

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Ernst Ostertag, September 2007

Quellenverweise
1

Art. 2 der Vereinsstatuten

2

Erasmus Walser, 10 Jahre VHELS, Seite 4

3

Erasmus Walser, 10 Jahre VHELS, Seite 6 und 7

Anmerkungen
4

Übersetzung: 'Den Wolf in den Schafstall lassen'