1990-1992

Das Ghetto verlassen

Neuausrichtung

Als Folge der Veruntreuung durch den Barmann 1988 kam es zur Wahl eines Sanierungspräsidenten, der Ende 1989 sein Amt antreten sollte. Berny (Bernhard) Schaller stellte sich für die Dauer von zwei Jahren zur Verfügung und verfasste nach seinem Rücktritt im Herbst 1991 einen Schlussbericht für die Delegiertenversammlung vom 3. März 1992:

"Die letzten Jahre [...] wurden von drei Aufgaben geprägt: 1. Entsorgung von Altlasten; 2. Konsolidierung und 3. Neuorientierung. Dass die erste Aufgabe, der fällig gewordene Generationenwechsel, so kameradschaftlich wie möglich und so konsequent wie nötig durchgezogen wurde, ist bekannt. Punkt zwei, die Konsolidierung, [...]: a) Sanierung des Clubvermögens durch rigorosen 'Zapfenstreich' bei allen lecken Clubflaschen; b) Sammeln der [...] Einzelinteressen unserer Mitglieder in andere Aktivitäten als simples 'Stutz abzocken'. Diese zweite Aufgabe wurde zu einem grossen Teil gelöst, denn die daraus resultierende Neuordnung - Punkt drei - hat bisher gute Anfangserfolge gebracht: [...] Aussenpolitik: Gesellschaftliche Öffnung ('Frauenfrage'), erste Zusammenarbeit mit anderen [...] Schwulengruppen (HAB, Spöiz etc.), der Aids-Hilfe Bern [...] sowie zarte Gehversuche in Sachen Kunst und Kultur. Innenpolitik: Interessenspezifische Abende wie [...] Lederabend und eine transparentere Informationspolitik dem Mitglied gegenüber im [ausgebauten] Numero."

Von Beginn 1988 bis 1991 war Berny (Bernhard) Schaller verantwortlicher Numero-Redaktor. Seine teilweisen Mitarbeiter und Nachfolger waren unter anderen Hansjürg Wiedmer, Eugen Engel, Andreas Luginbühl.

Die angetönte "Frauenfrage" betraf den Besuch des Ursus: Frauen mussten in Begleitung eines (männlichen) Mitgliedes sein. In Numero gab es dazu die Begründung:1

"Um Missbräuche auszuschliessen, wird an der Kasse eine Liste aufgelegt, in der das Mitglied seinen weiblichen Gast eintragen muss, um damit die Verantwortung für seine Gästin klar zu übernehmen."

Unter Berny (Bernhard) Schaller wandelte sich der Ursus zur zeitgemässen, auch schwulenpolitisch sich engagierenden und vernetzenden Organisation mit eigener, progressiv ausgerichteter Zeitschrift Numero. Die konservativ zurückhaltenden Kräfte blieben in der Minderheit, aber sie blieben vorhanden bis zum Ende.

Bernys (Bernhards) Schlussbericht galt dem Vorstand und der ordentlichen Delegiertenversammlung vom 3. März 1992 sowohl als Rückblick wie Richtlinie in die Zukunft. An dieser Versammlung wurde Andreas Luginbühl zum neuen Präsidenten gewählt (bis 1996). Der Finanzkommission gehörten Peter Rohrer und Daniel Weber an und zu Verantwortlichen ("Sonderbeauftragte") der fünf neu geschaffenen Ressorts wurden: Beat Häfliger für Sport, Bernhard Bischof für die Aids-Hilfe Bern, Erwin Studer für den regelmässigen Nostalgieabend im Ursus, Daniel Sager für den Jeans/Lederabend und Marcel Liechti für Teamentwicklung und Mitarbeiterförderung. Zugleich wurden Mitglieder-Cards für die Entrichtung des Jahresbeitrages eingeführt: Eine "Classic-Card" war für Fr. 120.- zu haben, die "Gold-Card" erwarb man für Fr. 240.-.

Nach oben

Ernst Ostertag, Juli 2006

Quellenverweise
1

Numero, April/Mai/Juni 1990, Seite 3