1994-1997

Letzte Jahre

Andere Treffpunkte

1994, ein Jahr später, konnte in Numero unter dem Titel "Sleepless in Bern" das grosse Ursus Club Fest angezeigt werden:1

"Am Samstag, dem 10. September 1994 um 19.00 ist es wieder so weit. Der Ursus Club veranstaltet sein alljährliches Fest im Kornhauskeller, denn die erwarteten Besucherzahlen sprengen bei weitem das Fassungsvermögen des Clubs, im Vorjahr kamen über 800 Personen."

Man musste und wollte also in den stadtbekannten grossen Kornhauskeller ausweichen, was nicht verborgen blieb. Die Zeiten des Inkognitos waren auch in Bern endgültig vorbei. Wer morgens um fünf noch immer nicht genug hatte, war zur "After Hour" im Ursus willkommen. Zudem hatte die Nachtsauna SunDeck für alle offen:

"Der Eintritt zum Fest [...] kostet für Gäste Fr. 25.-, Classic Card Fr. 15.-, Gold Card gratis. Er enthält den Eintritt in den Kornhauskeller, in die Nachtsauna, die Benützung des Shuttle Bus zwischen diesen Lokalen und dem Ursus Club und den Eintritt zur 'After Hour'. [...] 14 Stunden Mega-Fuhr oder schlaflos in Berns längster Nacht des Jahres. Mann sieht sich!"

Ab 1995 änderte die Zeitschrift den Namen und nannte sich mit neuem Redaktionsteam Ursus Insider.

Jedoch: trotz allen Bemühungen gingen seit 1993 die Mitgliederzahlen und vor allem die Besucherzahlen langsam aber stetig zurück. In zentraler gelegenen Teilen der Stadt waren neue Lokale entstanden, die viel Publikum besonders der jüngeren Generationen und aus der Agglomeration anzogen.

An der Mitgliederversammlung vom 23. März 1996 wurde Peter Spiekermann als neuer Präsident gewählt. Er sollte der letzte Mann in diesem Amt werden.

Ursus Insider gelang mit der November-Nummer 1996 die Zusammenarbeit und Zusammenlegung mit den BEgay NEWS der HAB samt der Berner GAY-Agenda in der Heftmitte. Aus dem Editorial, das die beiden Präsidenten gemeinsam verfasst hatten, Marco Sievi (HAB) und Peter Spiekermann (Ursus Club):

"[...] Nach 24jährigem Nebeneinander, einer langsamen Annäherung und einer punktuellen Zusammenarbeit wollen beide Organisationen nun einen ersten Schritt hin zur Berner Gay Community machen [...]."

Für den Ursus Club schien die Zeit trotz allem abgelaufen; sie hatte ihn überholt. Nicht nur, weil "die Szene" sich anderswo etabliert hatte, sondern weil sie vielfältig und offen geworden war. Das ideale Cachet am Rand der Altstadt, versteckt im Keller eines Hauses, das an einer nachts kaum frequentierten Gasse lag, es war kein Treffpunkt einer sich emanzipierenden Schwulengesellschaft, die Öffentlichkeit suchte und sie nicht mehr scheute.

Die kostspielige Erneuerung von 1992, von der man sich wieder markant ansteigende Besucherzahlen erhoffte, war zur kaum mehr amortisierbaren Last geworden. So begann der Vorstand über einen Verkauf des Bar/Discobetriebes nachzudenken und lud zur ordentlichen Mitgliederversammlung vom 14. Dezember 1996 ein. Laut Zusammenfassung der Diskussionen und Vorstandsbeschlüsse, die auf der Einladung zur Mitgliederversammlung publiziert waren und denen die Versammlung zustimmte, kam es zu folgendem Vorgehen:

  • Auflösung des Vereins
  • Schaffung eines besonderen Liquidationsausschusses von sieben Personen, darunter Präsident und Kassier
  • Das nach der Liquidation verbleibende Vermögen geht je zur Hälfte an Pink Cross und die HAB
  • Diese beiden Organisationen erhalten nach Auflösung des Vereins die Gelegenheit, den Mitgliedern des Ursus per Post ein Angebot zwecks Mitgliedschaft zu machen
  • Nach Abschluss der Liquidation ist das Vereinsarchiv dem Schweizerischen Schwulenarchiv (sas) zu übergeben

Im Juni 1997 war die Liquidation und die Auflösung des Vereins Ursus Club abgeschlossen.

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Ernst Ostertag, Juli 2006

Quellenverweise
1

Numero, August/September 1974, Seite 3