1988

"Selbstbewusst"

… ein Bericht der WoZ

In der WoZ Wochenzeitung vom 26. Februar 1988 setzte Beat Stauffer die Überschrift "Euphorie in der Basler Schwulenszene nach der erfolgreichen Ausstellung 'Männergeschichten' " und fügte den Slogan des Plakats der Homosexuellen Arbeitsgruppen Basel (HABS) und des Vereins für sexuelle Gleichberechtigung (VfsG) zu den Basler Grossratswahlen vom 17. Januar 1988 hinzu: "Selbstbewusst - Selbstbestimmt - Selbstverständlich". Hier einige Passagen aus seinem Bericht:1

"Der erste offen schwule Grossrat [Erwin Ott] der Schweiz - ein Parlament, das sich mit grosser Mehrheit für ein schwules Anliegen einsetzt - eine 'Schwulen-Liste' bei den diesjährigen Grossratswahlen, und nun noch die Ausstellung 'Männergeschichten', welche landesweite Beachtung gefunden hat: Basel zeigt sich für helvetische Verhältnisse erstaunlich offen und tolerant.

[...] Neben anderen Vorstössen und Anfragen von Ott, etwa zur Frage der staatlichen Anerkennung von Lebensgemeinschaften, ist die erstmalige Beteiligung einer 'Schwulen-Liste' [...] zu erwähnen. [...] Mit nur 0,8% der Wählerstimmen (im Wahlkreis Kleinbasel) war die 'Schwulen-Liste' kein Erfolg, trug aber unbestreitbar dazu bei, schwule Präsenz in der Öffentlichkeit zu markieren. Genau das war auch das Anliegen des Plakats der Schwulen-Liste [...]: Zwei Männer küssen sich zum Abschied, der eine bereits im Orientexpress, der andere auf dem Bahnsteig. Ausser dem lächelnden Gepäckträger nimmt niemand Notiz von den beiden - weshalb auch? Schwul ist ja selbstverständlich [...].

[...] Die Ausstellung ist sowohl hinsichtlich der Besucherzahlen als auch in den Medien zu einem Erfolg geworden. Das [...] Publikum ist durchmischt: jung und alt, Frauen und Männer, Homos und Heteros und nicht zuletzt auch viele Familien mit Kleinkindern. Weniger vertreten sind Jugendliche zwischen 15 und 20. Immerhin wagten es bis anhin fünf Lehrer mit ihren Diplom- und Berufsmittelschulklassen, das Thema anzugehen.

[...] Nicht wenige tauchen fast täglich auf, viele helfen auch (unentgeltlich) im Ausstellungscafé oder bei anderen Arbeiten mit. Zum ersten Mal seit der Schliessung der von der HABS (Homosexuelle Arbeitsgruppen Basel) geführten legendären 'Katakombe' (1980) finden sich wieder Schwule aller Schattierungen zusammen: Die Milieugänger, die politisch oder ökologisch Engagierten, die Adretten und die Wilden. Die Stimmung ist gut, und manch einer glaubt schon den Anfang eines neuen Abschnitts zu spüren: Den Aufbruch nach der Aids-Depression."

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Ernst Ostertag, Mai 2008

Quellenverweise
1

WoZ Wochenzeitung, Zürich, Nr. 8, 26. Februar 1988