2002/2003

"unverschämt"

"… Lesben und Schwule gestern und heute"

Zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung "unverschämt" fanden sich am 10. Oktober 2002 mehr als 650 Personen im Zürcher Stadthaus ein.

Stadträtin Monika Stocker (GP, Vorsteherin des Sozialdepartements) hielt die Begrüssungsrede und David Streiff als Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK) verlas eine vielbeachtete, persönlich gefärbte Ansprache. Die Jazzpianistin Irène Schweizer trat auf, es sang der Männerchor schmaz und die Ausstellungsteams der Frauen und Männer stellten sich vor.

Das Medienecho im In- und Ausland war gross und hielt über einige Zeit an. Bis zum Schlusstag am 18. Januar 2003 kamen mehr als 13'000 Menschen, um sich die Ausstellung anzusehen. Laut zuständiger Abteilung war dies mit einer Ausnahme die höchste Besucherzahl bei den doch recht häufigen Ausstellungen im Stadthaus. Allerdings: nur 1/3 davon waren Männer - und von diesen waren bestimmt über 70% homosexuell. Wo blieb die Hetero-Männlichkeit?

Die Frauen und wir beide (Ernst Ostertag und Röbi Rapp) teilten sich in die mehr als 100 Führungen von grösseren und kleineren Gruppen. Es kamen Vereine, Schulklassen, Mitglieder von Berufsverbänden, Studierende, die Bewohner eines Altersheims und sehr viele Einzelpersonen, die wir zu öffentlich bekannt gegebenen Zeiten als Gruppen zusammennahmen und begleiteten. Oft begannen wir mit wenigen Leuten, um dann mit einer ganzen Gesellschaft zu enden. Und es kamen natürlich Lesben und Schwule einzeln, als Paare, gelegentlich zusammen mit Angehörigen, oft auch als Gruppe wie PinkRail, "Schwule Väter", HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen Zürich), Network (Verein schwuler Führungskräfte) oder lesbischwule Studentinnen/Studenten-Verbindungen von diversen Hochschulen.

Bei gleichzeitigen Führungen wechselten wir uns ab: Frauen erklärten ihre Abschnitte, während wir Teile der Männergeschichte übernahmen. Wir ergänzten uns ideal - auch beim Beantworten von Fragen oder im Eingehen auf Probleme nach der Führung. Es gab Besucher, die nur deswegen gekommen waren, um sich einmal aussprechen zu können.

Diese drei Monate liessen die gelegentlich harten Auseinandersetzungen während der oft belastenden (zu) kurzen Vorbereitungs- und Aufbauarbeit vergessen. Die Führungen brachten uns, Lesben und Schwule, näher und das strahlte spürbar auf die Besucher zurück. Für fast alle waren wir eine Minderheit, von der man wohl wusste, aber kaum etwas kannte, schon gar nicht ihre Geschichte. Neuland, das oft mit Staunen betreten wurde. Ein Rundgang brachte konkrete Vorstellungen über Nachbarn im Gesellschaftsgefüge, die oft wahrgenommen und doch stets fremd geblieben waren. Die Ausstellung öffnete viele Augen und drang in manches Gemüt. Und sie wurde gleichzeitig mit dem zürcherischen Abstimmungskampf (Partnerschaftsgesetz) zum Meilenstein auf dem Weg zur heute selbstverständlichen Zusammenarbeit von Lesben und Schwulen.

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Ernst Ostertag, Oktober 2008 und März 2012