2003-2005
Im Vorfeld der Abstimmung
Am 18. Juni 2004 lag das Partnerschaftsgesetz von National- und Ständerat bereinigt und beschlossen vor. Die Gegner organisierten sich, sammelten Stimmen und würden ein Referendum ziemlich sicher zustande bringen. Die Frist lief bis Anfang Oktober.
Das hiess: Das Partnerschaftsgesetz kommt vors Volk. Und diese Abstimmung musste gewonnen werden, es ging um alles oder nichts. Und es brauchte dazu möglichst ALLE.
Die lesbischen und schwulen Organisationen hatten nicht geschlafen. Schon im Oktober 2003, als sich ein wahrscheinlich positives Ergebnis für dieses Gesetz abzeichnete - zusammen mit einer deutlichen Referendums-Drohung seitens der Gegner - war die Bildung eines nationalen Vereins an die Hand genommen worden. Er sollte eine eventuelle landesweite Kampagne vorbereiten. Gewisse Erfahrungen hatte man ja 2002 im Kanton Zürich gemacht.
Zuerst fanden sich hauptverantwortliche Personen zusammen, die an ihre Posten gewählt wurden. Sie begannen damit, sinnvoll koordinierte Strukturen zu schaffen. Später erfolgte die Aufteilung der Schweiz in acht Regionen mit an Ort aktiven Vereinen, die selbständig operieren konnten.
Noch vor Ablauf der Referendumsfrist im Oktober 2004 war alles Wichtige beschlossen oder vorbereitet. Ein Aktionsplan für die Zeit bis zum wahrscheinlichen Abstimmungsdatum (Mitte 2005) lag in den Grundzügen auf dem Tisch, ebenso Strategien fürs Sponsoring. Damit musste sofort begonnen werden. Mehr als eine Million galt es aufzutreiben.
Im Juni 2004 besuchte Papst Johannes Paul II die Schweiz. Eine Protest-Demo hätte den Gegnern des Partnerschaftsgesetzes in die Hände gespielt. Man kann nicht gegen einen alten, von seiner schweren Krankheit gezeichneten Mann demonstrieren. Das wäre Verrat am Grundsatz und Stil der gesamten Lesben- und Schwulenemanzipation: fair und gewaltlos das Ziel zu erreichen. Aber man konnte und musste etwas tun. Man appellierte an sein Amt und forderte ein Umdenken. Denn die Mehrzahl der Gegner des Partnerschaftsgesetzes dachten in denselben Kategorien wie die offizielle katholische Kirchenleitung. Hier war Anmahnung auch an die lange Geschichte von Ächtung und Ausgrenzung nötig und berechtigt, jetzt im Abstimmungskampf erst recht. Eine Pressemitteilung der LOS (Lesbenorganisation Schweiz) zusammen mit Pink Cross (Dachverband Schwulensekretariat Schweiz) rief unter dem Titel "Dem Papst ins Gewissen reden" zur Umkehr auf.
Zugleich galt es ein klares, auch medial sichtbares Zeichen zu setzen. Die mutigen katholischen Frauen mit ihrer offenen Stellungnahme für eine volle gesetzliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, begründet mit christlicher Liebe und Achtung der Menschenwürde, sie und ihre viel diskutierte Publikation verdienten Auszeichnung. Am CSD (Christopher Street Day) von 2004 erhielt der Schweizerische Katholische Frauenbund den Stonewall Award, überreicht von der dankbaren les-bi-schwulen Community des Landes.
Wenige Tage später erschien ein Buch der Ex-Chefin des eidgenössischen Justizdepartements über ihre Jahre als Bundesrätin. Für viele war sie die "Mutter des Partnerschaftsgesetzes" und in den Herzen von Tausenden lesbischer und schwuler Mitbürger stand ein unsichtbarer Preis auch für sie bereit.
Ernst Ostertag, März 2012