1990

"Weggeputzt!"

… die Ho­mo­se­xu­el­len­ar­ti­kel

Zum 12. November 1990 sei hier aus einem Au­gen­zeu­gen-Bericht samt Kom­men­tar zitiert (der al­ler­dings mit falsch an­ge­ge­be­nem Monat verfasst worden ist).1 Seine Über­schrift:

"Klamm­heim­lich weg­ge­putzt. Na­tio­nal­rat be­sei­tig­te die letzten Ho­mo­se­xu­el­len­ar­ti­kel":

"Zwei Tage hatten wir re­ser­viert. Nichts wollten wir ver­pas­sen, während das Se­xu­al­straf­recht durch­be­ra­ten wird; schliess­lich konnte je­der­zeit die Dis­kus­si­on über uns, die Schwulen und Lesben - oder für Na­tio­nal­rä­tIn­nen wohl eher die 'Ho­mo­se­xu­el­len' - losgehen. Das Eisen war ja auch weiss Gott heiss genug: Die Ho­mo­se­xu­el­len for­der­ten die totale Gleich­stel­lung!

Und so sassen wir da und hörten uns el­len­lan­ge, durchaus auch in­ter­es­san­te Dis­kus­sio­nen zu Ju­gend­lie­be, Ver­ge­wal­ti­gung in der Ehe und Por­no­gra­phie an und warteten auf unser Anliegen, für das wir so lange gekämpft hatten.

Doch es kam ganz anders, plötz­lich ging alles sehr schnell. Die Sitzung war auf einmal beendet und die Artikel waren weg. Keiner hatte was zu den Ho­mo­se­xu­el­len zu sagen, zu un­wich­tig war dieser Punkt. Es war fast, als wäre unsere Existenz nie ein Problem gewesen. Dabei hatte der Stän­de­rat noch bei seiner letzten Beratung die Ab­schaf­fung von Artikel 157 ab­ge­lehnt.

Aber was wollen wir uns wundern und fragend den Kopf schüt­teln. Wir sind offenbar in­zwi­schen immerhin schon so weit, dass man sich lieber nicht mehr am Thema Ho­mo­se­xua­li­tät die Finger ver­brennt. Dis­kri­mi­nie­run­gen, Schlech­ter­stel­lun­gen und Aus­gren­zun­gen sind bei dieser Kon­stel­la­ti­on wei­ter­hin möglich und sind auch al­ler­orts an­zu­tref­fen. So wird der Zürcher Ju­gend­grup­pe Spot25 bereits zum zweiten Mal ein Pla­kat­aus­hang in Trams und Bussen ver­wei­gert, wird die Hoch­schul­grup­pe 'Forum beider Hoch­schwu­len - zart & heftig' nach wie vor nicht als of­fi­zi­el­le stu­den­ti­sche Ver­ei­ni­gung an­er­kannt und windet sich die Schwei­zer Sektion von Amnesty In­ter­na­tio­nal, ein ver­bind­li­ches Mandat für aufgrund ihrer Ho­mo­se­xua­li­tät In­haf­tier­te zu über­neh­men. Allen Fällen ge­mein­sam ist, dass die Ver­ant­wort­li­chen beteuern, nichts gegen Schwule und Lesben zu haben; sie schieben andere Gründe vor.

Freuen wir uns über diesen ersten Erfolg im Bun­des­par­la­ment! Ein Mei­len­stein ist getan. [...] Der Kampf um unsere Rechte und für Gleich­be­rech­ti­gung sowohl im Gesetz wie in der Ge­sell­schaft darf nun nicht nach­las­sen. Wichtige Themen stehen an und sind in Be­ar­bei­tung: Ehe für Schwule und Lesben oder ver­bes­ser­te Rechte für Le­bens­ge­mein­schaf­ten, An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­setz [...] usw."

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Ernst Ostertag, April 2008

Quellenverweise
1

Un­da­tier­ter Bericht und Kom­men­tar (ver­mut­lich der AG Bun­des­po­li­tik) zum 12. Dezember 1990, abgelegt im sas, Dossier HACH