1998

Berichte zur Konferenz

… von Amsterdam: Klare Forderungen

Im September 1998 orientierte die SMUVZeitung (Wochenblatt des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes, heute Teil der UNIA) ausführlich über die Konferenz:1

"Tabu-Thema für Gewerkschaften?

[...] In der Schweiz zeigten die Gewerkschaften bis heute wenig bis überhaupt kein Interesse, die Anliegen von Schwulen und Lesben zu unterstützen. Dies soll sich ändern. Es ist geplant, eine gewerkschaftsübergreifende Arbeitsgruppe 'Homosexualität und Arbeit' zu gründen. [...]"

In einem Kasten wurde diese Arbeitsgruppe vorgestellt:

"Als Delegierte des VPOD haben Regula Keller und Peider Filli an der Konferenz [...] in Amsterdam teilgenommen. [...] Aus ihrem Aufruf:

Die Konferenz [...] hat deutlich gezeigt, dass die Schweizer Gewerkschaften in Bezug auf das Thema 'Lesben und Schwule in der Arbeitswelt' noch schlafen. In England, Holland, Kanada, aber auch im benachbarten Deutschland, zum Beispiel bei unserer Schwesterorganisation Gewerkschaft Öffentliche Dienste ÖTV, ist die Verteidigung gleicher Rechte für Lesben und Schwule eine als wichtig anerkannte Aufgabe.

Wir möchten die Schweizer Gewerkschaften überzeugen, dass die freie sexuelle Ausrichtung zu den Menschenrechten gehört und deshalb zu einem wichtigen gewerkschaftlichen Thema wird. [...]"

Das aK vom Oktober-November 1998 brachte fast denselben Artikel von Rita Zimmermann, Pressedienst des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Darin hiess es weiter:2

" 'Toleranz heisst nicht Akzeptanz', sagte Harry Groen, Amsterdamer Stadtrat, als er die über 200 GewerkschafterInnen aus 40 Ländern begrüsste, 'obschon in den Niederlanden gesetzlich verboten, ist auch hier Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung häufig. [...]'

Dies beweist auch die Studie 'Sexual Preference and Work', die die holländische Gewerkschaft ABVAKBO (Öffentliche Dienste) an der Konferenz präsentierte. Die wichtigsten Erkenntnisse: Lesben und Schwule erfahren gegenüber Heterosexuellen ihre Arbeitswelt unterschiedlich, sei es in Bezug auf das Verhältnis mit ArbeitskollegInnen und Vorgesetzten oder bezüglich Zufriedenheit mit dem Job. Wer häufiger diskriminiert wird, hat öfter gesundheitliche Probleme, [...].

'Diese Konferenz war für viele von uns ein lang gehegter Traum', sagte Kürsad Kharamanoglu, Mitglied des Organisationskomitees. Die Idee dazu entstand 1994 an der Weltkonferenz der ILGA. Durch Stipendien von Gewerkschaften und NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) wurde möglichst vielen lesbischen und schwulen GewerkschafterInnen aus Entwicklungsländern die Teilnahme ermöglicht.

[...] Die Gewerkschaften haben für die Wahrung der Rechte von Schwulen und Lesben noch einiges zu leisten, sei es mit entsprechenden Regelungen in Gesamtarbeitsverträgen (zum Beispiel bei der Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren), sei es bei der Unterstützung politischer Anliegen oder in Form von Kursen, in denen Angst und Vorurteile abgebaut werden müssen.

Die Berührungsängste mit dem Thema sitzen tief - auch in den Schweizer Gewerkschaften. [...]

In ihrer Studie 'Toleriertes Unrecht' schreiben Nadja Herz und Bernhard Gerber zur Situation in der Schweiz: 'In der Arbeitswelt erleben die meisten Lesben und Schwulen Diskriminierungen in irgend einer Form'. Die Diskriminierungen reichen von Lesben- bzw. Schwulenwitzen, 'Getuschel' hinter dem Rücken bis hin zu physischer Gewaltanwendung und sexueller Belästigung. Rechtlich fehlen uns bekanntlich die gleichen Rechte und eine griffige Antidiskriminierungsbestimmung."

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Ernst Ostertag, Juni 2008

Quellenverweise
1

Rita Zimmermann, SMUVZeitung, Nr. 35/36/1998, Seite 6

2

aK, Nr. 5/1998, Seite 19