1993
Ein Grossanlass
… ohne Vorurteile
Barbara Lukesch schrieb in der Sonntags Zeitung vom 9. Mai 1993 über die Planungsphase des Chorfestes:1
"[...] Nun, da der 'schmaz' das [...] Chorspektakel organisiert, [...] öffnen sich ihm Tür und Tor. Egal, was man will, egal, wen man um eine Gefälligkeit bittet, nahezu alles gelingt.
'Es läuft wie geschmiert', sagt Roger Staub, Präsident des Organisationskomitees und hauptberuflich Aids-Delegierter des Kantons Zürich. 'Unsere kühnsten Erwartungen wurden übertroffen. Was vor einem Jahr noch Utopie war, ist heute Wirklichkeit.'
Angefangen hatte es mit Hella von Sinnen, dem deutschen Fernsehstar, der Ulknudel und Entertainerin, deren Name ein Vorwitziger bei der Suche nach Moderatoren und Moderatorinnen der Konzerte ins Spiel gebracht hatte. Schallendes Gelächter, doch Staub ganz pragmatisch: 'Auch eine Hella von Sinnen muss erst gefragt werden, damit sie nein sagen kann.' Postwendend folgte die Antwort: 'Ich bin dabei.' Das war der erste Streich. Dann versprach der Zürcher Regierungsrat (Bildungsdirektion) Alfred Gilgen sein Kommen.
[...] Ein Grossanlass also, bei dem sich auch die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) kooperativ zeigen. Vor drei Jahren hatten sie sich noch geweigert, ein Plakat der schwulen Jugendgruppe 'Spot25' aufzuhängen, jetzt - bei den Plakaten für das Chortreffen - siegte die Toleranz.
[...] Die Motive, um sich mit Geld oder Namen hinter die Veranstaltung einer sogenannten Randgruppe zu stellen, sind vielfältig. Der Sponsor Migros setzt mit seinen 5000 Franken ein Zeichen zugunsten eines 'qualitativ hochstehenden kulturellen Anlasses'. [...] Opernhaus-Intendant Alexander Pereira bezeichnet sich als 'begeisterten Anhänger' von Dirigent Scheuber, seiner musikalischen Leistung, aber auch seines sozialen Wirkens: 'Da konnte ich doch nicht abseits stehen.'
Kirchliche Kreise machen vor allem Anteilnahme am Schicksal der Aids-Kranken geltend, die nach wie vor zu einem grossen Teil in den Reihen der Schwulen zu finden sind.
Urs Guggenbühl. Präsident des 'schmaz', erklärt sich den grossen Zuspruch auf seine Art: 'Eine kulturelle Veranstaltung ist unverdächtig, friedlich, angenehm. Man bekommt etwas geboten, statt dass gefordert, rebelliert oder gar demonstriert würde. Fast könnte man auf die Idee kommen, als hätten die Leute auf einen solchen Anlass gewartet, um beweisen zu können, dass sie keine Vorurteile gegen Schwule und Lesben haben.' "
Ernst Ostertag, Juni 2008
Quellenverweise
- 1
Barbara Lukesch, Sonntags Zeitung, 9. Mai 1993, Seite 24