1993

Grusswort

… des Stadtpräsidenten

Die Musikalische Morgenfeier im Zürcher Grossmünster vom Sonntag, 23. Mai 1993 wurde als ökumenische Danksagung unter Mitwirkung von Chören des Europäischen SchwuLesbischen Chorspektakels angekündigt:

"[...] Die Morgenfeier [...] versteht sich als eine Stunde des Dankens für gemeinsam erlebte Tage. [...]

In besonderer Weise denken wir dabei an alle, die als direkt Betroffene, als Angehörige oder Freundinnen und Freunde der Auseinandersetzung mit HIV und Aids nicht mehr ausweichen können.

Schliesslich will die Feier Brücken schlagen. Brücken der Verständigung zwischen Menschen, die aufgrund vorgefertigter Meinungen wenig voneinander wissen wollen [...]."

Im 46-seitigen Programmheft zum Chorspektakel stand ein Grusswort des Stadtpräsidenten von Zürich, Josef Estermann:1

" 'Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder': Dass Musik verbindet, weiss schon der Volksmund. Aber gilt dies auch für schwul-lesbische Chöre? Sollte man sich da nicht besser distanzieren? Offensichtlich enthält das Projekt dieses Festivals sowohl ein Angebot wie eine Provokation, und das eine ist ohne das andere nicht zu haben.

Mit Ironie weist die schwul-lesbische Chorbewegung darauf hin, dass in unserer Gesellschaft die technische Differenzierung der Stimmlagen von den Sopranen bis zu den Bässen überlagert wird von der sozialen Ausdifferenzierung in Männerchöre, Frauenchöre, gemischte Chöre. Deshalb ist der Anspruch der schwul-lesbischen Chöre ein doppelter: einerseits sich ebenfalls als gesellschaftlich anerkannte Gruppe durchzusetzen, andererseits an der grenzüberschreitenden Botschaft der Musik teilzuhaben. Ihr Prädikat 'schwul-lesbisch' werden die Chöre erst aufgeben, wenn diese Abgrenzung nicht mehr nötig ist und nur noch die Musik bleibt [...]."

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Ernst Ostertag, Juni 2008

Quellenverweise
1

Programmheft, 7. Europäische SchwuLesbische Chorspektakel, Seite 3