ab 1993
Schwulenarchiv Schweiz
Die Schwulen - und die Lesben - in der Schweiz haben ihre Geschichte. Bis Ende des 20. Jahrhunderts war sie jedoch weitgehend unbekannt.
Jetzt liegt sie mit der Website "schwulengeschichte.ch" in allen ihren wichtigsten Abschnitten vor und steht jeder interessierten Person kostenlos zur Verfügung. Sie ist Teil der schweizerischen Sozialgeschichte. Zugleich aber ist sie, ähnlich wie die Geschichte der schweizerischen Arbeiterbewegung, von Anfang an politische Geschichte. Auch die Schwulenbewegung enstand aus der Not von Menschen und dem Druck, der auf ihnen lastete.
Es waren Menschen aus allen Kreisen des Volkes. Ihr Einsatz für sichere Orte, an denen sie sich treffen konnten, für eine Verbesserung ihrer Situation, für Anerkennung und schliesslich für die Schwulenemanzipation, das ist ihre Geschichte, ist Schwulengeschichte. Und ihre persönlichen Lebensgeschichten sind Grundlagen. Sie bestehen aus zahllosen Dokumenten und Zeugnissen wie Notizen, Briefen, Tagebüchern, Manuskripten, Aufsätzen, Zeitschriften, Büchern, Fotos, Zeichnungen, und sonstigen Objekten, die alle irgendwo aufbewahrt lagen, meist versteckt und abgeschlossen.
Sie zu sammeln und für die Nachwelt zu sichern ist Aufgabe eines Archivs. Doch bei einer verfemten Menschengruppe wie den Homosexuellen war und ist jedes Archivieren schwierig, sehr schwierig, aber auch sehr wichtig. Denn lange Zeit bedeutete jedes Aufbewahren Gefahr. Was nicht sofort vernichtet wurde, konnte in falsche Hände gelangen und damit die Existenz gefährden. Verstarb einer, hiess das für Angehörige, die Familienehre zu wahren. Alle einschlägigen Hinweise verschwanden, sofern der Verstorbene sie nicht rechtzeitig selbst entsorgt hatte.
Deswegen kam es erst spät zum systematischen Archivieren von Zeugnissen. Das war erst möglich, als sich die Ächtung und Ausgrenzung lockerte.
Das Schwulenarchiv Schweiz (sas) ist daher eine junge Institution. Und ihre "Heinrich Hössli Stiftung" ist noch viel jünger. Doch seit seiner Gründung ist - vielleicht darum - das sas jene Sammlung, die innerhalb des Schweizerischen Sozialarchivs am meisten genutzt wird.
Die Archivalien des sas lagerten von Anfang an im Sozialarchiv. Denn mit dieser Verbindung gelang eine schlanke, kostengünstige Struktur. Zugleich entstanden Synergien, die man von heute gesehen als sinnvoll, fruchtbar und in jeder Beziehung erfolgreich bezeichnen kann.
Ernst Ostertag, November 2011