Newsletter 96

Januar 2018

Dieser Newsletter enthält folgende Themen:

  • Grusswort des Präsidenten
  • Pink Cross und der Holocaust-Fonds
  • Rundgang schwules Zürich
  • 20 Jahre PinkRail
  • Crowdfunding für Lehrmittel

   

Grusswort des Präsidenten

Liebe Freunde von schwulengeschichte.ch

Die Website schwulengeschichte.ch wird von einem Trägerverein und einem ehrenamtlich tätigen Vorstand verwaltet, gepflegt und weiterentwickelt. Die Anforderungen an unsere Arbeit nehmen laufend zu. Neben der bewährten Autorenarbeit setzen wir insbesondere auf eine gute Präsenz in den Social-Media-Kanälen. Wir bemühen uns um ein kurzweiliges und informatives Lesevergnügen; wir schreiben die schwule Emanzipationsgeschichte fort; und wir dokumentieren die Vielfalt der Lebensformen von Männern, welche Männer lieben.

Damit diese Arbeit überhaupt gelingt, braucht es Frauen und Männer, Menschen, die die Wichtigkeit dieser Dokumentation sehen und sie in irgendeiner Form unterstützen und fördern. Auch im vergangenen Jahr durften wir neue Vereinsmitglieder willkommen heissen. Das freut mich sehr, denn die Mitglieder bilden das Fundament einer erfolgreichen Vereinsarbeit.

Für diese Unterstützung danke ich allen Mitgliedern, Wohltätern, Spendern und besonders den ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern. Dank dem Zusammenspiel aller konnten wir auch im vergangenen Jahr die Geschichte der Schwulen in der Schweiz ergänzen, weitere spannende Porträts (Alexander Ziegler, Manuel Gasser, Derrik Olsen, Adriano) veröffentlichen und monatlich einen informativen Newsletter verschicken.

Für das frisch begonnene Jahr wünsche ich mir weiterhin viele inspirierende Begegnungen, noch mehr neue Mitglieder und Ihnen allen ein zufriedenes und frohes 2018!

Christian D. Grichting
Präsident, Verein schwulengeschichte.ch

Pink Cross und der Holocaust-Fonds

eos. Fünfzig Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors begann die Besinnung auf eine Wiedergutmachung des Ungeheuerlichen, das den Opfern angetan worden war. Mehr als ein symbolischer Akt konnte es nicht sein; die meisten waren bereits verstorben, die übrigen hochbetagt. Viele lebten in finanziell prekären Verhältnissen. Um wirkliche Hilfe zu leisten, reichten die Mittel nicht. Die bekanntesten Opfergruppen waren Juden und aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgte. Für Pink Cross war sofort klar, dass homosexuelle Opfer, die schon in der KZ-Lagerhierarchie die Untersten, Letzten waren, auch jetzt wieder übergangen würden, einzig weil sie keine Lobby hatten, weil sie noch immer von vielen verachtet wurden und weil es Staaten gab, die sie weiterhin kriminalisierten. Das aber durfte nicht geschehen. Jetzt konnte und musste etwas getan werden.

Bei den Wiedergutmachungsgeldern handelte es sich in unserem Land um den Schweizer Holocaust-Fonds, der am 5. Februar 1997 gegründet und, von den Grossbanken mit 100 Millionen Franken dotiert, der Nationalbank überwiesen wurde in der Hoffnung, dieser Betrag werde noch weiter aufgestockt, auch durch die Nationalbank selbst. Im Schlussbericht vom 3. Mai 2002 wird eine durch den Fonds verteilte Summe von total 295 Millionen erwähnt. Die Beiträge gingen "vor allem an Bedürftige in Osteuropa". Hintergrund des ganzen Geschehens waren sowohl die Debatte über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg wie auch die US-Sammelklage von Holocaust-Opfern gegen die Schweizer Grossbanken. Da wollte man mit dem Schweizer Fonds den guten Willen bekunden und eine möglichst weithin sichtbare Geste machen.

Noch im Februar 1997 meldete sich die gesamtschweizerische Schwulenorganisation Pink Cross im Namen aller homosexuellen Opfer des Holocaust beim Schweizer Holocaust-Fonds und mahnte, dass homosexuelle Menschen nicht erneut verschwiegen und vergessen werden dürfen. Federführend war Beat Wagner, eben als Pink Cross Präsident zurückgetreten, der sich nun als offizieller "Delegierter von Pink Cross für humanitäre Angelegenheiten" der Sache annahm. Für den Schweizer Fonds war entscheidend, dass Pink Cross und sein Delegierter die Suche nach homosexuellen Opfern selber durchführen wollten und auch schon bald erste Ergebnisse vorzeigen konnten. So kam es noch im selben Jahr (1997) zur Anfrage des eben durch die Internationale Goldkonferenz gegründeten Internationalen Holocaust-Fonds an Pink Cross, ob man bereit sei, auch dort als Interessenvertreterin für homosexuelle Nazi-Opfer mitzuwirken. Diese Chance wurde genutzt, und als weltweit einzige Schwulenorganisation erhielt Pink Cross auch dieses Mandat.

Vor zwanzig Jahren, am 21. Januar 1998, erhielt ein erstes homosexuelles Opfer auf Antrag von Pink Cross 2000 Franken aus dem Schweizer Fonds und ist damit als unschuldig verurteilter und bestrafter Mensch anerkannt, rehabilitiert und entschädigt worden. Weitere Zahlungen dieser ersten Tranche erfolgten am 17. und 24. März. Dazu kamen noch je 500 Franken aus der Kasse von Pink Cross.

Denn Pink Cross war mit einem Bericht an alle Mitglieder gelangt, worauf 13'000 Franken in die Holocaust-Opfer-Kasse flossen. Besonders dazu beigetragen hat die von Pink Cross organisierte Vorlesetour von Pierre Seel (1923-2005). Letzterer war eines der ersten homosexuellen Terroropfer der Nazis, das, von Pink Cross vorgeschlagen, entschädigt werden konnte. 1994 erschien seine Autobiografie in Französisch, zwei Jahre später auf Deutsch unter dem Titel "Ich, Pierre Seel, deportiert und vergessen". Auf seiner Tour las er 1995 in Genf und 1998 in Zürich, Bern und Basel. Was er las und in anschliessenden Gesprächen zusätzlich berichtete, erschütterte die Zuhörer und bleibt unvergesslich. Der Erlös aus freiwilligen Spenden deckte nicht nur sämtliche Unkosten, sondern füllte die Opfer-Kasse von Pink Cross massgeblich.

Nach Ende der Entschädigungs-Aktion verfasste Beat Wagner im Februar 2000 einen zweiteiligen Schlussbericht zuhanden des Schweizer Holocaust-Fonds. Die wichtigsten Abschnitte der beiden Schreiben sind heute noch spannend zu lesen.

Schlussbericht

Pierre Seel

Rundgang schwules Zürich

cdg. Der Verein schwulengeschichte.ch lädt ein zu einem Rundgang durch das schwule Zürich. Die Stadt zeigte den Schwulen in der Vergangenheit unterschiedliche Gesichter. Homosexuelle Menschen erlitten Verfolgungen und wurden ins Abseits gedrängt. Zürich war aber auch eine Insel im Meer des Schwulenhasses. Heute ist die Stadt schwules Reiseziel und Party-Location, und sie bietet Freiräume für schwule Kultur. Auf dem Rundgang erfährst du mehr über die schwule Geschichte der Stadt und der Schweiz, und du lernst unbekannte Ecken und Winkel von Zürich kennen.

Datum: Dienstag, 16. Januar 2018
Zeit: 18.00 bis 20.00 Uhr

Die Führung ist kostenlos. Die Teilnehmerzahl ist auf höchstens 20 Personen beschränkt. Anmeldung erforderlich per Mail an event-at-schwulengeschichte.ch

Treffpunkt: Eingang Stadthaus, Stadthausquai 17, 8001 Zürich

20 Jahre PinkRail

eos. Seit zwanzig Jahren gibt es PinkRail, die Gruppe von gleichgeschlechtlich veranlagten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Transportwesen. PinkRail gehört zu den Pionieren, wenn es um die innerbetriebliche Gleichstellung von LGBTI-Menschen geht. Jetzt, wo dieses Ziel weitgehend erreicht ist, stellt sich für PinkRail die Frage der Existenzberechtigung. Max Krieg, einer der Mitbegründer von PinkRail, hat die Geschichte dieser Fachgruppe für die letzten zehn Jahre nachgetragen.

Es geht weiter

Siehe dazu auch unsere ergänzenden Informationen vom Mai 2017.

Crowdfunding für Lehrmittel

jb. Unter dem Claim "Es ist normal anders zu sein" schufen die Filmerin Claudia Bach und Patricia Schär ein filmisches Lehrmittel für Schulen. Es soll Lehrpersonen im Unterricht bei der Thematisierung von unterschiedlichen sexuellen Orientierungen ein Hilfsmittel in die Hand geben. Nicht selten bewirken Unwissenheit und Vorurteile eine diskriminierende Haltung gegenüber Jugendlichen, die auf der Suche nach sich selbst sind oder kurz vor dem Coming Out stehen. Der Film ist finanziert und fertig produziert. Noch sind die Produzentinnen auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für den Einsatz in den Schulen. Sie haben dafür eine Crowdfunding-Plattform eingerichtet. Dank schneller Verbreitung des Projektes wurde das gesetzte Ziel innert kurzer Zeit erreicht. Mit dem bisher gesammelten Geld kann eine Website programmiert werden, um einfacher an die Schulen zu gelangen. Das Crowdfunding läuft noch einige Tage weiter. Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto grösser ist die Anzahl der erreichten Schulen, und es kann mehr Aufklärung betrieben und damit der Homophobie an den Schulen begegnet werden.

Hier geht es zum Crowdfunding für dieses Projekt.