Newsletter 191

November 2025

Diese Ausgabe enthält die folgenden Themen:

  • Erasmus Walser - Facetten (s)eines schwulen Lebens

  • Letzte Preisverleihung der Nico Kaufmann-Stiftung

Erasmus Walser - Facetten (s)eines schwulen Lebens

drf. Oft wirkte Erasmus wie ein "zerstreuter Professor". Wer sich aber näher mit seiner Person aus­ein­ander­setzte, bemerkte bald seine Gabe als Beo­bachter unserer schwulen Lebensform(en) - mit all den Kämpfen mit uns selbst, aber auch gegen und mit gesell­schaft­lichen Zwängen. In seinen unzähligen Nieder­schriften und Notizen ordnete Erasmus nicht nur ein, sondern hielt dem sogenannten schwulen Milieu auch einen Spiegel vor. Und vor allem ver­ar­bei­tete er so auch seine eigene, schwierige Biografie.

Nach schwerer Krank­heit verstarb Erasmus Walser im Alter von 76 Jahren am 7. Juli 2025. In diesem Newsletter versucht Daniel Frey anhand von Auf­sätzen und Text­frag­menten von Erasmus die vielen Facetten (s)eines schwulen Lebens zusammen­zu­fassen.

Auf die Welt gekommen ist Ernst Erasmus Walser am 6. Januar 1949 als ältester Sohn von Professor Gerold Walser und Brigitte Freudenberg in Basel. Er hatte drei Geschwister, Aglaia, Sibylla und Urban.

Erasmus studierte an den Universitäten von Hamburg und Bern Geschichte, Sozialgeschichte und Geografie. Danach arbeitete er als Lehrer an der Kirch­lich-Theo­logischen Schule Bern KTS, als Dozent an der Fach­hoch­schule für Technik und Architektur Bern HTA. Noch während seines Studiums engagierte sich Erasmus in der Kommission "Jugend und Armee" der FDP Schweiz und hielt 1973 an deren Parteitag ein Referat. Ein Jahr später trat er der SP Sektion Bern-Länggasse-Felsenau bei. Nochmals ein Jahr später wurde er Mitglied der Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern HAB.

Nach Bern kam Erasmus 1953 als kleiner Knirps "zusammen mit seiner Her­kunfts­familie", wie er in Gesprächen über seine Kind­heit oft betonte. In der Primarschule wurde er und die anderen Kinder vor "Chinds­verschleipfern" gewarnt. Und auch seine Mama erzählte von "selt­samen Männern, die sich in Buben verlieben". Diese sollte er meiden und auch "nie auf ein öffent­liches Pissoir gehen, weil es dort solche geben könnte".

"Ich hatte kaum eine Sprache für das, was ich heimlich empfand", beschrieb Erasmus rück­blickend seine Gefühle als 21-Jähriger - also Anfang der 1970er. Schwule Männer, das waren in Bern belächelte ältliche Exoten. Diese hatten nichts mit seinen ver­wirr­ten Gefühlen für Klassen­kameraden oder sonst be­wun­derte junge Männer zu tun. Erasmus wollte nicht als schwul gelten. Er be­fürch­tete, dass jedes Ein­geständ­nis "solcher Gefühle" zu unlieb­samer Fragerei geführt hätte: "Es war ein streng verbotener erotischer Drang." 

"Einmischung wollte ich keine"

In den unzähligen Texten, Aufsätzen und Interviews von Erasmus lese ich, wie wichtig ihm persönlich offenbar gerade auch die Gründung der HAB, der Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern, zu Beginn der 1970er-Jahre war. Der fixe Ort und die fixen Öff­nungs­zeiten gaben nicht nur ihm Halt und Struk­tur. Wichtigste Eck­pfei­ler der HAB wurden damals - nebst den Arbeitsgruppen, die "ein­schlä­gige" Nach­rich­ten sammelten und verarbeiteten - besonders die Selbst­erfahrungs- und Gesprächs­gruppen zum Zweck des individuellen Coming-out. Viele Schwule Anfang zwanzig dürs­te­ten danach, ihre Gefühle und ihre Erfahrungen endlich ohne Angst vor Ein­geweih­ten und quasi im Wett­be­werb sprechbar zu machen. Die wöchent­lichen Gespräche in diesen Gruppen über das neu entdeckte Schwul­sein seien sehr befreiend gewesen, schrieb Erasmus.

Traditionelle Auffassung: Verhüllen und deaktivieren der Homo­sexualität

Ich entdecke unter den Texten von Erasmus Walser ein paar Zeilen, die mit "autobiografischen Beobachtungen" überschrieben sind. Ich erlaube mir daraus zu zitieren, obschon der Text mit "VERTRAULICH" bezeichnet ist. In meinen Augen zeigt er eindrücklich das Wesen von Erasmus, die Zerrissenheit, aber auch sein Verstecken hinter der aufgesetzten Sachlichkeit als Lehrer, Historiker und Chronist: "Wie in der Grandbourgeoisie des 19. Jahrhunderts versuchte dann auch eine Freundin des Herrn Papa, auf dessen Anregung hin, als ich 25 war, ‹heterosexuell› Hilfe im Bett zu leisten, was ich angeekelt ablehnte. Einmischung wollte ich keine. Die Selbsthilfe bestand darin, Beratung über Lebensfragen, verbunden mit Beratung in der Studienorganisation anzufordern, als Kunde der Studentenberatung in Hamburg und Bern. Das war der Weg zur psychologischen Beratung und zur Studentenberatung für das Verfassen von Arbeiten an der Universität."

Der Professor, die Mama und das Familiengericht

Eines der Text­frag­mente von Erasmus zu seiner Auto­bio­gra­fie trägt die Über­schrift "Das Familien­gericht". Die schwelenden Zer­würf­nisse zwischen Erasmus und seinen Eltern erreichten im Dezember 1973 offenbar einen Höhe­punkt. Der "Pro­fessor" - sein Vater - schickte Erasmus zu einem Psycho­logen, der ihm dann riet, "die Hemmung gegen­über der Selbst­befrie­digung" mit dem Betrachten von Bildern aus Gay-Maga­zinen abzu­bauen. Freund­licher­weise lieh ihm der so genannte "Store Gret", eine damals bekannte Berner Grösse, ein ganzes Paket. "Ich blätterte das farbige Fleisch und die senti­mentalen Einsam­keits­geschich­ten vor dem Ein­schla­fen durch". Danach versteckte Erasmus die Hefte zuunterst im Wäsche­schrank. "Am nächsten Morgen betrat Mamas Putzfrau, Frau Hirschi, das Zimmer und begann auf­zu­räumen. Ihr Schrei war bis zum Estrich­geschoss zu hören." Grund genug für die Eltern, an diesem Sonn­tag­abend Anfang Dezember 1973 das "Familien­gericht" ein­zu­berufen und vom ältesten Sohn Aus­kunft zu begehren. Erasmus ver­liess im Anschluss danach zornig den Raum und wusste nicht, "wie mir geschehen war". Von da an ging er auf Wohnungs­suche.

Männerliebe im Untergrund

Nach seinem Beitritt zu den HAB im Alter von 26 erkannte Erasmus rasch, dass es zwei Gruppen von schwulen Männern gab. Da waren auf der einen Seite die fröh­liche und selbst­be­wusste "Gaymeinschaft" der 1970er und auf der anderen Seite die "einsamen Wölfe", die im Pissoir "auf die Lauer" gingen oder nach Mitter­nacht im Gehölz des "Ölbergs" warteten. Der Ölberg war der Ort des Verrats im Neuen Testament. So nannten die Schwulen in Bern auch den Park der Kleinen Schanze.

Früher befand sich am Korn­haus­platz ein öffent­liches Pissoir mit alt­modischer Rinne am Boden und Kabinen mit Münz­bedienung weiter hinten. Der jugend­liche Erasmus kam nach einem längeren Spazier­gang von der Aare hoch und litt unter Harn­drang. Er stürzte sich in den üblen Ammoniak­gestank: "Als ich die Türe aufstiess, standen vier schwei­gende ältere Männer an der Piss­rinne und nestelten an ihren Hosen, vor mir trat ein junger Mann ein. Ich eilte Rich­tung Kabinen und widmete mich konzent­riert meiner Erleich­terung, der Blasen­druck ver­schwand." Als Erasmus die Bedürfnis­anstalt ver­lassen wollte, bot sich ihm beim Aus­gang eine groteske Szene: "Die vier alten bis sehr alten Männer um­ring­ten den unglück­lich drein­blickenden jungen Mann, dessen Hose bereits auf den Knien schaukelte, versuchten sich an ihn zu drängen, und vier erigierte Penisse näherten sich dem fünften unter schwerem Atem - acht Hände grabschten nach dem Jungen."

Beim Blick in die ekstatischen Gesichts­züge der Männer kam Erasmus unweiger­lich der Begriff "Ratten­könig" in den Sinn - und er bekam auch Mit­leid, denn die Blicke hinter dem Spek­ta­kel des kollek­tiven Orgas­mus schie­nen ihm leer: "Meine Angst, das könnte meine Zukunft sein, beschlich mich hinter­rücks."

Im schwulen Milieu nannte man die älteren Kontakt­sucher "Pissoir­gla­dio­len". Der Beo­bach­ter Erasmus kam zum Schluss, dass im heim­lich schwulen Ver­hal­ten Angst ent­schei­dend mit­spie­len musste.

Jenseits der ein­geweih­ten Welt des schwulen Milieus herrschte Arg­losig­keit. In seinem Text über "Männer­liebe im Unter­grund" beschrieb Erasmus eine Episode aus dem "Cachet noir", aus der Sauna. Eine Ehe­frau, die die Visiten­karte einer Sauna im Anzug ihres Mannes gefunden hatte, fragte tele­fo­nisch besorgt nach: "Sind bei Ihnen auch Frauen?" Dabei meinte sie aller­dings Prosti­tuierte, und der Inhaber der Sauna ant­wortete wahr­heits­gemäss mit "Nein". Die Antwort beruhigte die besorgte Ehe­frau, die Welt war für sie wieder in Ord­nung.

Was sich ziemt oder das gesellschaftliche Dekorum vor 1970

1991 feierte die Stadt Bern "800 Jahre Bern". Diese Feier­lich­kei­ten boten Anlass für man­chen Rück­blick auf mehr oder weniger heldenhafte Geschichten. Eine nicht gerade ruhmr­eiche Geschichte war die der Homo­sexuellen. Erasmus Walser hatte damals in Inter­views mit älteren Schwulen erforscht, wie homo­sexuelle Männer zwischen 1930 und 1960 in einer für sie feind­lichen Gesell­schaft gelebt und über­lebt haben - trotz Demütigungen, drohendem Stellen­ver­lust und Straf­prozessen.

Die Schluss­folgerungen aus den Inter­views erschie­nen unter dem Titel "Milieu und Masken­zwang" im Buch "Ansichten von der rechten Ord­nung. Bilder über Normen und Norm­ver­letzungen in der Geschich­te", das zum 60. Geburts­tag von Beatrix Mesmer, Pro­fesso­rin für Ge­schich­te an der Uni­versi­tät Bern, erschien. Erasmus leitete seinen Auf­satz mit einem Zitat des Päda­go­gen Johann Heinrich Pestalozzi ein: "Der Mensch muss ent­weder seine Gelüste überwinden oder mit Mut danach streben, sie zu befrie­di­gen, wenn er nicht un­glück­lich sein will."

Am 10. Juni 1991 erschien in der Berner Tag­wacht unter dem Titel "Die Schwulen sind die Ketzer des Männer­bil­des" ein ganz­sei­tiges Inter­view zu eben dem Aufsatz "Milieu und Masken­zwang". Das Inter­view führte Rolf Trechsel, der später Geschäfts­führer von Pink Cross wurde, man war also quasi unter sich. Auf die Frage, welche Vor­stellungen im Zeit­raum von 1930 bis 1960 die Öffent­lich­keit zur Homo­sexuali­tät hatte, ant­wortete Erasmus Walser: "Nach allgemeiner Auffassung war Homo­sexuali­tät nicht nur eine Ver­wirrung der Geschlechter, sondern auch eine sexuelle Aus­schweifung; Homo­sexuelle waren in den Augen der Be­völ­kerung Lüstlinge. Dies hatte auch damit zu tun, dass es meist die flüchtigen gleich­geschlecht­lichen Sexual­kon­takte waren, die in Prozessen und Verfahren öffentlich bekannt wurden. Lang­fristige gleich­geschlecht­liche Paar­beziehungen waren gegen aussen nicht sicht­bar und zer­brachen oft an gesell­schaft­lichen Widers­tänden."

Wie aber konnten sich Homosexuelle damals mit dieser Angst vor "Enttarnung" überhaupt treffen? Der wahrscheinlich kulturell anerkannteste war schwule Geselligkeit in privaten Kreisen: "In solche Cercles vornehmerer Kreise kam man allerdings nur als Freund oder Bekannter eines Mannes, der bereits dazugehörte." Es war damals auch bekannt, in welchen Restaurants sich schwule Männer trafen - etwa im "Selim" (heute "Trattoria Sempre") beim Kornhausplatz oder etwas "gehobener" an der Marktgasse im "Embassy" (dort, wo sich heute die Migros befindet). Hier hatten Nachtbuben den Spruch "Wer hier verkehrt, verkehrt verkehrt" an die Wand gesprayt. Die Homosexuellen aus der Bourgeoisie trafen sich diskret in der "Ermitage", wo sie so taten, als seien sie eben keine Homosexuellen. Man kannte sich dort "vom Wegsehen". "Das gesellschaftliche Decorum, zu dem auch eine Ehefrau gehörte", durfte nicht angetastet werden, erläuterte Erasmus im Tagwacht-Interview. Direkte Sexual­kon­tak­te unter Männern fanden damals eben auch in den so­ge­nannten Klappen, den öffent­lichen Be­dür­fnis­anstal­ten statt. Berüchtigt waren die Razzien der Polizei, etwa in den weiträumigen Toiletten im verschwundenen "Milchgässli" zwischen dem alten Bahnhof und dem Burgerspittel: Die Polizeibeamten schauten über die Kabinenwände und klopften alle Leute heraus, die nicht auf den Schüsseln sassen.

Die neue schwule Emanzipation

Nach dem Film "Nicht der Homo­sexuelle ist pervers, sondern die Situa­tion, in der er lebt" von Rosa von Praunheim und der Grün­dung der Homo­sexuellen Arbeits­gruppen in der Schweiz ab 1972, erwachte eine neue, selbst­bewusstere schwule Eman­zi­pa­tion. Erasmus nannte sie die "zweite Schwulen­bewegung". Sie führte zu einem grösseren Selbst­bewusst­sein schwuler Männer und schluss­endlich in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre zu einem Boom der schwulen, sorg­loseren Frei­zeit­kul­tur, zu einem bewussten, nur noch halb verborgenen Lebens­raum. 

"Zwätschgegrill"

Die zweite Schwulenbewegung in Bern ist eng mit der eigenen Geschichte von Erasmus Walser verbunden. Anfang der 1980er-Jahre machte er auch beim Film "Zwätschgegrill" mit, den die HAB drehte.

Sich im Hoch­sommer in einer Bade­an­stalt an der Sonne räkeln, anschliessend ins Nass springen und sich so abkühlen. Lange Zeit war für das schwule Bern der "Bueber" - der Bereich im Frei­bad Marzili, der für Männer reser­viert war - genau dieser Ort. In der schwulen Umgangs­sprache wurde dieser Ort "Zwätschge­grill" genannt (in der Zwischenzeit wurde er saniert und ist seither verschwunden). "Zwätschge" war unter schwulen Männern die übliche Bezei­ch­nung für Tunte. Und weil eben dieses Männer­bad in diesem Film eine grosse Rolle spielt, bekam er den Titel "Zwätschge­grill" und als Unter­titel "Der gehörige Abstand zwischen den Bade­tüchern". Er erzählt Geschichten von Bade­anstalten, von Klappen und anderen Mög­lich­keiten des Ver­lustierens des homo­sexuellen Mannes in den 1980er-Jahren - dilettan­tisch, sexistisch, schwanz­fixiert, poly­morph‐pervers, narziss­tisch und jugend­gefähr­dend, wie es im Vor­spann heisst.

Am Anfang des Films richtet Prof. Dr. Erosius einleitende und erklärende Worte an die Zusehenden. Gespielt wurde dieser Professor von Erasmus Walser, dem diese Rolle quasi auf den Leib geschrieben wurde.

In seiner Schrift "Un­ent­wegt eman­zi­pa­to­risch" zum 20. Jubiläum der HAB schrieb Erasmus zur Bedeutung des Films "Zwätschgeg­rill", dass damals die Berner "Gaymeinschaft" bewusst "die Früchte der Selbst­erfahrung und damaligen Gesprächs­kultur pflegten": "Die HAB wurde zum Podium und zum Spiegel der Selbsterfahrung und Selbstdarstellung in allen Facetten der schwulen Existenz: das Ver­häl­tnis zu den Frauen, die Einsamkeit, Prob­leme der schwulen Iden­ti­tät, die verschiedenen Aspekte der schwulen Körper­lich­keit, das Altern, Wohnen, Militär, Gewalt gegen Schwule, ‹Verkehrs­formen›, ‹Sprach­regelungen› u.v.a. wurden thematisiert." In diesem "Milieu" fühlte sich Erasmus sicht­lich wohl.

Ab 1984 mobi­li­sier­te die angeb­liche "Schwulen­seuche" Aids die "Gaymeinschaft". Safer Sex wurde Pflicht! Laut Erasmus wurden die Akti­vis­ten der zwei­ten Schwulen­bewegung Fach­leute und Pro­motoren des Aids­hilfe-Netz­werkes. "Sie stell­ten die wich­ti­gen bis­lang genutz­ten poli­ti­schen Kon­tak­te auf Dauer her und schufen damit erst als Part­ner staat­licher Stellen eine Lobby und ein schwules Netz­werk. Pink Cross als Dach­ver­band ver­anker­te sich an den geschaffenen Struk­turen." Die noch in den 1960er-Jahren auf­tre­tenden heim­lichen Denunziationen und anti­schwulen Mobbings am Arbeits­platz wurden wesent­lich sel­tener. Lang­jährige Begleiter von Erasmus wissen, dass er bei dieser Aus­sage auf eigene Erfah­rungen zurück­greifen konnte, wurde er doch mindestens einmal wegen seiner Homo­sexuali­tät nicht zur Lehr­per­son gewählt. Für Erasmus war damit klar: Schwul­sein wurde "erwachsen", normal, all­täg­lich in der öffentlichen Wahrnehmung, und Schwule wurden in der Öffentlich­keit gelassener. "Schwul­sein wurde so chic, dass auch bisher hart­gesottene Fuss­baller ‹metro­sexuell› daher­kommen konnten.

Für Erasmus war aber auch klar, dass die am 5. Juni 2005 von den Stimm­berech­tigten an­ge­nommene ein­ge­tra­gene Partner­schaft "für die herzigen, partner­treuen und angepassten Schwulen" eine gute Sache war - eben ein erfolg­reiches "bürger­liches" Pro­jekt mit Aus­strah­lung aus der Zivil­gesell­schaft und "ein wich­tiges Element der menschen­recht­lichen Integration der Homosexuellen in die Gesellschaft". Abschliessend ein Zitat von Erasmus, das ich in einem bisher unveröffentlichten Text von 2007 gefunden habe, das mich sehr beein­druckt hat und das wir uns immer wieder auf die Regen­bogen­fahne schreiben sollten: "Noch sind die alten Schwulen, die hässlichen, die nicht­partner­gebundenen, die frei­floatenden, die behinderten und solche, die alleine sind, kaum rehabilitiert. Noch immer gibt es neben den herzigen und gutverdienenden Paaren, nun gleich­gestellt, die ein­samen Wölfe, welche kein Coming-out wagen, gegen welche die Gesell­schaft noch immer die alten Vor­ur­teile anwendet."

Nachtrag

Kurz nach dem Tod machten sich einige Weg­be­glei­ter von Erasmus Walser Sorgen darum, dass sein "schwuler" Nach­lass entsorgt werden könnte, aber doch eigent­lich für die Nach­welt erhalten bleiben sollte. Max Krieg und Markus Oehrli von hab queer bern nahmen mit der Nichte von Erasmus Walser Kon­takt auf und konnten dann auch die vielen Dokumente aus der Wohnung von Erasmus "retten" und dem Schwulen­archiv Schweiz übergeben.

Letzte Preisverleihung der Nico Kaufmann-Stiftung

Am 18. November 2025 um 19 Uhr findet im Cabaret Voltaire Zürich die letzte Preis­ver­leihung der Nico Kaufmann-Stiftung statt. Aus­gezeichnet wird der Pianist Sergey Tanin, der ein Lieder- und Klavier­pro­gramm vortragen wird, das Nico Kaufmanns musika­lisch viel­fäl­tiges Leben beleuchtet.

Der mit 13'000 Franken dotierte Preis wurde bisher alle zwei Jahre an junge, förderungs­würdige Talente überreicht. Sergey Tanin wird den Preis von Zürcher Stadt­präsi­dentin Corine Mauch, Präsidentin des Nico Kaufmann-Stif­tungs­rates, empfangen.

Die Plätze sind beschränkt. Es wird um eine früh­zeitige Anmel­dung gebeten an office@stiftungnicokaufmann.net