Bezeichnungen für Homosexuelle
… und Namen, die sie sich selber gaben
In mancherlei Beziehung aufschlussreich sind die Worte, die für homosexuelle Mitmenschen erfunden wurden. Sie sind hier in fünf Bereiche gegliedert, was allerdings gewisse Überschneidungen mit sich bringt: Es gibt Ausdrücke, die zweimal genannt werden, wobei andere, von frühen Sexualforschern geprägte, sich noch schwerer zuordnen lassen. Trotzdem kann nur eine Aufteilung den nötigen Überblick bieten:
- Die oft derben Biertisch- oder Gassen-Ausdrücke des "gesunden Volksempfindens" ergeben zum Teil amüsante Bilder von Denk- und Sprechweisen. Nicht selten schwingt auch etwas Neid mit.
- Es gibt wissenschaftliche Versuche, dem Phänomen sachlich näher zu kommen. Die frühesten nehmen dazu lateinische oder griechische Bezeichnungen. Diese Wortschöpfungen erfanden heterosexuelle wie - seltener - homosexuelle Forscher. Die im frühen 20. Jahrhundert aufkommende Psychologie und Psychiatrie sah vor allem die Abnorm und suchte (negative) Begründungen. Und diese fanden rasch den Weg in kirchliche und politische (Fehl-)Urteile.
- Von christlicher Tradition und Dogmatik her geschaffene be- oder verurteilende Ausdrücke und Konstruktionen werfen auch ein entlarvendes Licht auf ausgrenzende Denkweisen ihrer Erfinder.
- Je nach politischer Ideologie gefärbte Äusserungen sind oder waren bewusst diffamierend und wirkten sich oft lebensbedrohend aus. Gewisse von ihnen aus dem 20. Jahrhundert weisen auf eher amüsante Übereinstimmungen sich feindlich gegenüberstehender Ideologien hin und lassen Rückschlüsse auf das (primitive) Hass-Potential der Erfinder zu.
- Die meisten träfen Worte fanden und finden jedoch die Homosexuellen selber, und dies auf allen Gebieten. Die grosse Anzahl solcher "Selbstbezeichnungen" sind zeitlich geordnet in vier Listen aufgeführt. Die erste davon ("19. Jahrhundert") ist geprägt vom Versuch, sich wissenschaftlich zu erklären, was bis um 1930 nachklingt. Danach folgen mehr und mehr Ausdrücke der Emanzipation und der politischen Agitation. Typisch für jede Ghetto-Kultur sind scharfe Worte der Selbstironie. Sie treffen genau und geben auch Aussenstehenden überraschende Aufschlüsse.
Ernst Ostertag, August 2010