1905

Zweite Fassung

Die erste Version wurde in der Zwischenzeit gründlich umgearbeitet und auf einen fast dreifachen Umfang von 110 Seiten erweitert, ein Buch, das der Verfasser nun beim Verleger Max Spohr, seinem Obmannkollegen im WhK, herausbringen liess.

Einleitend stellte er fest:

"Ob ihre Veranlagung auf den Embryonalzustand zurückzudatieren sei oder sich erst später entwickelt habe, das kümmert die Homosexuellen selbst in der Regel wenig; sie wissen, dass sie so sind und nie anders waren, ohne von aussen beeinflusst worden zu sein."

Und als Kranke könne man sie nicht bezeichnen, es seien

"keine derartigen Erfolge zu nennen, weil ich nur einige Nichtgeheilte kenne, einen wirklich Umgemodelten nie zu Gesichte bekommen habe."

Dann ging er im ersten Teil unter anderem der Lage in verschiedenen Staaten und schweizerischen Kantonen nach,

"die keine Paragraphen gegen die Uranier und ihr Liebesleben kennen: Dennoch sind weder in Holland noch in der Waadt noch in irgend einem der anderen Länder [...] je Stimmen laut geworden, dass solche einzuführen nötig wäre. [...] In den Ländern ohne Urningsparagraphen habe er auch niemals nervöse, schwermütige Homosexuelle kennen gelernt. Deshalb glaube er, dass das Pathologische, das manche Homosexuelle Deutschlands und Englands in der Tat auswiesen, lediglich eine Folge des schweren Druckes ihrer Lage sei. [...]"

Im zweiten Teil ging der Verfasser auch viel ausführlicher auf alle die entsprechenden Bibelstellen ein, als er dies in der ersten Fassung seines Werkes getan hatte, um abschliessend festzustellen,

"sexuelle Betätigung, ob homo- oder heterosexuell, sei nicht Sünde. Diese beginne erst da, wo man den Trieb ungezügelt gehen lasse [...]."

Es

"habe für jede Art Geschlechtstrieb zu gelten, dass er auf gegenseitiger Hingabe zweier Personen aus freier Wahl beruhen sollte. Auch dürfe [...] ein menschliches Wesen nicht als blosses Mittel sinnlichen Genusses dienen. Die Kirche habe bisher zur Minderung der männlichen Prostitution nichts getan. Dem Geist Christi entsprechend wäre es, wenn die evangelische Kirche in diesem Sinne eine andere Tätigkeit als nur die des fleischlichen Eiferns und Feuer regnen Lassens entfalten würde." (Zitate nach Beat Frischknecht)

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Ernst Ostertag, Juni 2006