Kindheit

Arthur Bernhard Vogt hatte von Anfang an kein gutes Leben. Geboren wurde er am 24. Juli 1912 in Gossau (SG) als Kind ka­tho­li­scher Eltern. Der Vater, Hermann Vogt (geb. 1881), war aus dem böhmisch-ös­ter­rei­chi­schen War­ten­berg1 in die Ost­schweiz ein­ge­wan­dert, weil er im Zentrum der pro­spe­rie­ren­den Sti­cke­rei­in­dus­trie Arbeit und Ver­dienst zu finden hoffte. Am 29. Januar 1910 hei­ra­te­te er die Schwei­ze­rin Karolina Fourny (geb. 1889).

Bis 1952 verloren Schwei­ze­rin­nen ihr Bür­ger­recht, wenn sie einen Aus­län­der hei­ra­te­ten. Das hatte auch hier fatale Folgen. Mit Ausbruch des Ersten Welt­kriegs 1914 wurde der Vater ins kai­ser­lich-kö­nig­li­che Heer von Öster­reich-Ungarn ein­be­ru­fen. Die jetzt al­lein­er­zie­hen­de aus­län­di­sche Mutter zog 1915 mit ihren beiden eben­falls aus­län­di­schen Buben, dem älteren Hermann und dem jüngeren Arthur, nach St.Gallen, wo sie als Nach­sti­cke­rin Arbeit fand. 1918 kehrte der Vater als Bürger der eben ge­grün­de­ten Tsche­cho­slo­wa­kei zurück und übte nun seinen ur­sprüng­lich er­lern­ten Schnei­der­be­ruf aus. Die Familie wech­sel­te oft den Wohnsitz und hatte einen schlech­ten Ruf. Der Vater wurde "all­ge­mein als Al­ko­ho­li­ker, die Mutter als Schwät­ze­rin" ge­schil­dert. Ab 1933 wohnten sie an der Ko­los­se­um­stras­se 21, St.Gallen.

Mit Be­nen­nun­gen wie u.a. "Al­ko­ho­li­ker" oder "Schwät­ze­rin" wurden bis weit über die Mitte des 20. Jahr­hun­derts "un­an­ge­pass­te Leute" be­zeich­net. Oft waren das Tag­löh­ner, Be­rufs­lo­se, Ge­schie­de­ne, Al­lein­er­zie­hen­de, am Exis­tenz­mi­ni­mum und all­ge­mein am Rand der Ge­sell­schaft lebende Schwei­zer und Aus­län­der. Dass ehe­ma­li­ge Soldaten, die, vom Alltag des Krieges trau­ma­ti­siert, nie­man­dem davon be­rich­ten konnten oder mochten, zur Flasche griffen, weil damit das Ver­ges­sen entstand, davon hatten alle keine Ahnung, die nie selbst die Front erlebt hatten. Immerhin, Vater Hermann ver­such­te Fuss zu fassen mit dem, was sein Beruf war, das Schnei­dern, und so die Familie durch­zu­brin­gen.

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Ernst Ostertag, November 2023

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War­ten­berg gehörte bis 1945 zu den von Su­de­ten­deut­schen be­wohn­ten Gebieten; heute heisst es Stráž pod Ralskem und ist Teil der Region Liberec, Nord-Tsche­chi­en