1939
Menschenrecht
Ende der "Liga für Menschenrechte", Kriegsausbruch
Das erste Jahr in Freiheit vor dem Gesetz, was für ein Gefühl! Draussen herrschten die sich über jedes Recht schamlos und ungestraft hinwegsetzenden Diktatoren, Anna Vock schrieb darüber, hier waren Homosexuelle gesetzlich geschützt.
Mehr Illustrationen erschienen im Heft, auch fast unverhüllte Körper. Karl Meier verwendete dabei unter anderem Bilder aus Der Eigene, um an die in Deutschland untergegangene Zeitschrift zu erinnern. Sie blieb das ideale Ziel: Ein ähnlich hochstehendes Heft wollte er gestalten, um die kulturelle Ebenbürtigkeit homoerotischen Schaffens zu demonstrieren und Anerkennung zu finden in jenen Kreisen, die für ihn die massgebenden waren.
Die Liga für Menschenrechte wurde aufgelöst, das Klublokal musste aus finanziellen Gründen aufgegeben werden. Ein Abschied erzählte bewegend vom Ende des Lokals und darin erwähnte Karl Meier auch "jene, die ihr Land als Verbrecher stempelt", die Flüchtlinge. Sie hatten hier ein Stück Heimat gefunden. Über Emigranten gab es auch in anderen Ausgaben zu berichten samt Aufrufen zur konkreten Hilfeleistung. Die Mittel waren erschöpft, doch noch immer kamen neue Gefährdete über die Grenze und klopften an.
Die Schweizerische Landesausstellung in Zürich und der Kriegsausbruch mit Generalmobilmachung waren ebenfalls Themen. Eine neue Solidarität entstand. Man war dankbarer Demokrat und bereit, die Freiheit mit allen Mitteln zu verteidigen. Sexuelle Präferenzen traten in den Hintergrund.
Ein Feldpost-Briefwechsel wurde publiziert, das Heft konnte nur noch monatlich einmal erscheinen, denn die Leute standen im Aktivdienst an ihren Posten. Zugleich erschien ein neuer Redaktor mit dem Pseudonym Charles Welti oder C.W. Er sollte später den französischen Teil betreuen.
Erst im Dezember wurde klar, dass die Zeitschrift - vorläufig - weitergeführt werden konnte und dass sich eine neue Organisationsform anbahnte: Die Vereinigung von Abonnenten und nicht mehr ein Verein mit Mitgliedern.
Ernst Ostertag, September 2010